Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Warum?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 636, 637
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Rückkehr als Kriegsversehrter
Illustriert von Erwin Oehme
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[636]
Warum?


Wo der Karpathen Hochwaldpracht
Gen Süden auf Rebenhügel lacht,
Die das Auge der Puszte beglücken –
Da hinkt durch das prangende Land daher,

5
Das Herz von Sehnen und Bangen schwer,

Ein junger Krüppel auf Krücken.

„Ein Jahr vorbei, und wieder war’s Mai,
Und die blutigen Monde sind wieder vorbei,
Die Todtenmonde von Böhmen[1],

10
Wo der Grabhauch sich in den Lüften ballt

Und nächtlich über die Erde wallt
Als flammender giftiger Schemen.

„Dort traf es auch mich und traf mich hart.
Fast hätten sie mich mit eingescharrt,

15
Zu den Todten Sadowa’s gebettet.

Da kam der Feind, Gott segne ihn!
Er ließ des Gefangenen Geist nicht entflieh’n,
Der Feind hat mich gerettet.

„Im fernen Nord sind die Winter wild,

20
Die Herzen warm und die Hände mild,

Es heilten die schweren Wunden. –
Nun heim zu Dir, o Mütterlein Du!
Hat Frieden Dein Herz im Leben, hat Ruh’
Dein Kummer im Tode gefunden?

25
„Nach langen Wanderns Noth und Qual

Grüß Gott Dich, magyarisches Heimaththal,
Von Mondesglanz umflossen!
Im Dorf ist entschlummert Haus um Haus.
Still zieh’ ich ein, laut zog ich aus;

30
Wo sind die Kriegsgenossen?


„Und da ist dem Gottesacker entlang
Mein alter Schul- und Kirchengang –
Und dort – ein Fenster noch helle!
O Himmel, ihres Lämpchens Schein

35
Beleuchtet mein betendes Mütterlein!“

– Er kann nicht von der Stelle.

Du armer zitternder Krückenmann,
Recht leise, leise schleiche hinan,
Ihr Antlitz anzubeten.

40
So ist seit Jahr und Tag um Dich

In jeder Nacht inbrünstiglich
Ihr Herz vor Gott getreten.

„„Mein Gott, ich frage Dich nicht: Warum?
Ich beuge mich gläubig, ich beuge mich stumm

45
Vor Deiner Allmacht Walten.

Nur das Eine flehe ich Nacht und Tag:
O hemme des Herzens brennenden Schlag!
O kühle es! Laß es erkalten!

„„Mach’s einer Mutter nicht allzuschwer!

50
Hier sieht mein Aug’ ihn nimmermehr,

Er ruht bei Dir in Frieden.
Mein einzig Fleh’n ist Wiederseh’n,
Ihn wiederseh’n so rein und schön,
Wie er von mir geschieden!““

55
Da ruft es „Mutter“ süß und laut.

Wie reißt sie’s empor! – Sie horcht, sie schaut! –
Wie die Sinne ihr treulos werden!
Sie fliegt ihm entgegen, sie sieht nichts, nichts,
Als das selige Lächeln des Angesichts,

60
Ihr Ein und Alles auf Erden.


Doch es tritt, was der Sturm der Wonne verhüllt,
Bald genug an’s Licht und, ach, erfüllt
Ihr Herz mit Schrecken und Jammer.
Ihr Wehruf – sie will ihn ersticken mit Macht –

65
Umsonst – der Schmerz schreit hinaus in die Nacht

Aus der Armen einsamer Kammer.

„„O Herr im Himmel, nun halte mich!
Von Gottes Gnaden nennen sie sich,
Die der Mütter Herzen so schlagen!

70
Ein Krüppel mein Kind! Warum? Warum?

Die Priester und Könige bleiben stumm –
Nun muß ich’s, mein Gott, Dich fragen!““

Friedrich Hofmann.




[637]

Wieder in der Heimath.
Nach einer Originalzeichnung von Erwin Oehme in Dresden.

  1. WS: Die Schlacht bei Königgrätz.
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