Ein Bessel-Strahl (nach dem deutschen Astronomen, Mathematiker, Geodäten und Physiker Friedrich Wilhelm Bessel) bezeichnet in der Wellenoptik eine spezielle, ideale Form elektromagnetischer Wellen. Eine ihrer wichtigsten anwendungsbezogenen Eigenschaften ist, dass sie nichtbeugend sind: ihre Form ändert sich – anders als bei den Gauß-Strahlen – während der Ausbreitung nicht. Ein Besselstrahl pflanzt sich immer mit Unterlichtgeschwindigkeit fort.

Querschnitt durch die Intensitätsverteilung eines Bessel-Strahls

Mathematisch ist ein Bessel-Strahl ein Satz von Lösungen der paraxialen Helmholtz-Gleichung, die in der Wellenoptik die Form von paraxialen Strahlen beschreibt.

Bessel-Strahlen wurden 1987 von Jim Durnin theoretisch konstruiert und von Durnin und Joseph H. Eberly experimentell demonstriert.[1]

Mathematische Beschreibung

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In der paraxialen Optik werden Lichtstrahlen, die zur  -Achse parallel sind, beschrieben als elektromagnetische Welle in der Form:

 

wobei

  •   der Ort und
  •   die Zeit ist.
  • Die Amplitudenfunktion   soll höchstens schwach von   abhängen, so dass die Welle längs der z-Achse näherungsweise periodisch ist mit der Wellenlänge  .
  • Für die Schwingungs-Kreisfrequenz muss gelten  .
  • Für die Größe  , die bei einer ebenen Welle die zur Kreisfrequenz   gehörige Wellenzahl ist, gilt damit  .
    Die Größe   wird als transversale Wellenzahl bezeichnet.

Ist die Amplitude sogar vollständig unabhängig von   (dispersionsfreier Strahl):

 ,

so muss   der paraxialen Helmholtz-Differentialgleichung genügen:

 

mit dem auf die x-y-Ebene eingeschränkte Laplace-Operator  . Entsprechend gilt in Polarkoordinaten  :

 

Die Lösung der o. g. Differentialgleichung ergibt unter Annahme von Zylindersymmetrie:[2]

 

Dabei ist   die Besselfunktion 1. Art der Ordnung  .

Üblicherweise bezeichnet man den rotationssymmetrischen Spezialfall   auch einfach als Bessel-Strahl.

Im Grenzfall   ergibt sich  , also eine ebene Welle mit dem Wellenvektor   und  .

Eigenschaften

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Vergleich der radialen Intensität eines Gauß-Strahls (rot) und eines Bessel-Strahls mit m=0 (blau). Im oberen Diagramm stimmt die 1/e²-Breite des zentralen Peaks und im unteren die über den Plot-Bereich integrierte Intensität überein.

Die radiale Amplitude und damit auch die radiale Intensitätsverteilung

 

hängen nicht von der Position   in Ausbreitungsrichtung ab:

 

Daher verändert sich ihre Breite im Gegensatz etwa zu Gauß-Strahlen nicht während der Ausbreitung. Man spricht daher von nichtbeugenden Strahlen. Dies bedeutet auch, dass Bessel-Strahlen keinen Fokus im Sinne eines Punktes höchster Intensität entlang der Ausbreitungsrichtung besitzen.

Bessel-Strahlen werden auch als „selbstheilend“ bezeichnet, da sie an einem Punkt der Ausbreitungsachse teilweise gestört oder blockiert werden können, zum Beispiel durch ein Streuzentrum, ihre Form aber später in der Ausbreitungsrichtung wiedergewinnen.

Die Intensität in radialer Richtung   fällt bei Bessel-Strahlen deutlich schwächer ab als bei Gauß-Strahlen,[2] vgl. nebenstehende Abbildungen:

 

Für Gauß-Strahlen gilt jedoch:

 

Aufgrund des  -Abfalls enthält ein idealer Bessel-Strahl auch unendlich viel Energie, da das Integral über die Intensität in radialer Richtung divergiert. Dies ist ein Grund, warum ideale Bessel-Strahlen in der Praxis nicht realisierbar sind.

Wie man weiter aus der Abbildung ersieht, weisen Bessel-Strahlen deutliche Nebenmaxima auf (auch im Vergleich zu einer Airy-Scheibe), haben bei gleichem Energieinhalt aber ein deutlich schmaleres Hauptmaximum.

Geschwindigkeit

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Die Phasengeschwindigkeit in Ausbreitungsrichtung   ist:

 

und daher größer (!) als die Lichtgeschwindigkeit  :

 

denn für gegebene Kreisfrequenz   ist

 

Sie zeigt aber eine Dispersion, die auf folgende Gruppengeschwindigkeit führt:

 

Wellenpakete in Form eines Besselstrahls sind also im Vakuum langsamer als die Lichtgeschwindigkeit. Dies konnte 2015 sogar an einzelnen Photonen nachgewiesen werden, wobei der Effekt einige Millionstel der Lichtgeschwindigkeit erreichte.[3]

Dies kann genutzt werden, um bei nichtlinearen Effekten die Gruppengeschwindigkeit der Pumpwelle mit der Phasengeschwindigkeit einer rot-verschobenen z. B. Raman-Stokes-Welle anzugleichen und damit überhaupt erst einen effektiven Pumpprozess bei kurzen Pulsen zu ermöglichen.[4]

Erzeugung

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Ein Axicon erzeugt einen Bessel-ähnlichen Strahl
 
Die zentrale helle Stelle des Besselstrahls heilt sich nach einer Störung selbst, aber verschoben, vgl. Bild darüber.

Reale Bessel-Strahlen lassen sich ebenso wenig erzeugen wie eine ideale ebene Welle, da beides eine unendliche Menge an Energie erfordern würde. Gute Näherungen lassen sich aber durch Fokussierung eines Gauß-Strahls mit Hilfe eines Axicons, einer speziellen, konisch geschliffenen Linse, erzeugen. Die daraus resultierenden Bessel-Gauß-Strahlen weisen die selbstheilenden Eigenschaften eines idealen Bessel-Strahls immer noch über einen gewissen Bereich auf.[5][6]

Anwendung

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Bessel-Strahlen werden aufgrund ihrer selbstheilenden Eigenschaften für Optische Pinzetten eingesetzt.[7]

Außerdem bieten sie bei Lichtscheibenmikroskopie Vorteile: Die Lichtscheibe wird dann durch das Scannen eines Bessel-Gauß-Strahls erzeugt, was zu einem schmaleren zentralen Peak führt und daher auch bei gleicher eingebrachter Energie zu besserer axialer Auflösung als mit einer gaußschen Lichtscheibe. Außerdem ermöglicht die Selbstheilung eine größere Eindringtiefe.[8][9]

Literatur

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  • S. Klewitz: Stimulierte Lichtstreuung mit Besselstrahlen. Dissertation. 1. Auflage. UFO, Atelier für Gestaltung und Verlag, Allensbach 1998, ISBN 3-930803-34-8.

Einzelnachweise

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  1. J. Durnin, J. H. Eberly, J. J. Miceli: Diffraction Free Beams. In: Phys. Rev. Lett. Band 58, 1987, S. 1499–1501.
  2. a b Bahaa E. A. Saleh, Malvin Carl Teich: Fundamentals of photonics. 2007, ISBN 978-0-471-35832-9.
  3. D. Giovannini u. a.: Spatially structured photons that travel in free space slower than the speed of light. Science, online 22. Januar 2015; doi:10.1126/science.aaa3035
  4. S. Klewitz, S. Sogomonian, M. Woerner, S. Herminghaus: Stimulated Raman scattering of femtosecond Bessel pulses. In: Optics Communications. Band 154, Nr. 4, 1998, S. 186–190, doi:10.1016/S0030-4018(98)00317-4.
  5. J. Durnin, J. J. Miceli: Diffraction-free beams. In: Physical Review Letters. Band 58, Nr. 15, April 1987, S. 1499–1501, doi:10.1103/PhysRevLett.58.1499.
  6. F. Gori, G. Guattari, C. Padovani: Bessel-Gauss beams. In: Optics Communications. Band 64, Nr. 6, Dezember 1987, S. 491–495, doi:10.1016/0030-4018(87)90276-8.
  7. J. Arlt, V. Garces-Chavez, W. Sibbett, K. Dholakia: Optical micromanipulation using a Bessel light beam. In: Optics Communications. Band 197, Nr. 4–6, Oktober 2001, ISSN 0030-4018, S. 239–245, doi:10.1016/S0030-4018(01)01479-1 (delmarphotonics.com [PDF]).
  8. F. O. Fahrbach, A. Rohrbach: A line scanned light-sheet microscope with phase shaped self-reconstructing beams. In: Optics express. Band 18, Nr. 23, November 2010, S. 24229–24244, ISSN 1094-4087. PMID 21164769.
  9. T. A. Planchon, L. Gao, D. E. Milkie, M. W. Davidson, J. A. Galbraith, C. G. Galbraith, E. Betzig: Rapid three-dimensional isotropic imaging of living cells using Bessel beam plane illumination. In: Nature methods. Band 8, Nr. 5, Mai 2011, S. 417–423, ISSN 1548-7105. doi:10.1038/nmeth.1586. PMID 21378978.
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