Irmgard von Süchteln (auch: von Köln/von Aspel/von Zutphen Imgardis; * vor 1013 auf Haus Aspel bei Rees; † im Februar 1064/1065 oder an einem 4. September zwischen 1082 und 1089) wird vor allem in Süchteln bei Viersen und im Haus Aspel bei Rees als Heilige verehrt. Ihr Vorname Irmgard ist in vielen Varianten bezeugt, darunter Irm(in)garda, Erm(en)gardis, Irmtraud, Irmentruth oder [Y/E]rmenthrudis.

Die heilige Irmgard inmitten der Bedürftigen
Kloster Haus Aspel bei Rees
Irmgardiskapelle mit Brunnen auf dem Heiligenberg in Viersen-Süchteln
Irmgardiskapelle, Blick auf die Westseite
Heiligenbild der Irmgard von Köln (Heilige Jungfrau Irmgardis von Zutphen, Schutzpatronin von Süchteln, bitte für uns und das Vaterland. 16. Jahrhundert)

Quellenlage und Hagiographie

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Die Lebensdaten und Lebensumstände Irmgards sind unklar, da die legendarische Überlieferung keine sicheren Schlüsse gestattet.

Belegt ist unter anderem:

  • die Existenz der Gräfin Irmingardis im Jahr 1013
  • eine kaiserliche Schenkungsurkunde an Irmingardis 1041
  • die Schenkungsurkunde der Gräfin Irmintrudis aus dem Jahr 1075, in denen sie die Propstei Rees dem Erzbistum Köln überschreibt[1]
  • eine Legende, der zufolge Irmingardis als Eremitin im Wald bei Süchteln lebte

In Stadlers Heiligen-Lexikon liest man: „Sie hat sich besonders ausgezeichnet durch ihre werkthätige Nächstenliebe und ihre seltene Frömmigkeit. Dreimal bewog sie ihre Andacht, eine Reise nach Rom zu den Gräbern der Apostel zu unternehmen, wo sie jedesmal mit vielen Reliquien heiliger Blutzeugen beschenkt wurde. Unter andern soll sie einen Theil des Hauptes des hl. Papstes Sylvester I. nach Köln gebracht und der Domkirche geschenkt haben, in welcher sie nach ihrem Tode beigesetzt wurde.“[2]

Historisch lässt sich aus der Legende nicht das Geringste absichern, insbesondere wurden die Silvesterreliquien nicht aus Rom entfernt.[3]

Rekonstruktionsversuche der Biographie(n)

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Während ältere Kirchendokumente ab dem 12. Jahrhundert zunehmend von nur einer wohltätigen Person ausgingen, deren Namen gleichzusetzen seien, sind in der neueren Forschung mehrere Rekonstruktionsversuche unternommen worden, die von bis zu drei Personen ausgehen: Eine ältere Irmgard (von Aspel), eine jüngere Irmgard (von Süchteln), und eine Schwester Irmtrud (von Aspel). Das ökumenische Heiligenlexikon geht von der Stifterin/Mutter Irmgard und der Pilgerin/Tochter Irmtrud als zwei zu unterscheidenden Personen aus, deren Legenden stark durchmischt seien; Klaus-Gunther Wesseling verwarf hingegen die „konstruierte Abgrenzung“ zwischen der Gräfin/Stifterin Irmgard und der Jungfrau/Pilgerin Irmgard: es handele sich demnach um nur eine Person.

Die Burg Aspel wurde im 10. Jahrhundert von Richizo von Aspel erbaut, dem Neffen des Kölner Erzbischofs Wichfrid. Richizos Sohn Godizo von Aspel erbte diese Anlagen; er starb um das Jahr 1011/1012; seine namentlich nicht bekannte Witwe um 1022. Die Geburt der gemeinsamen Tochter Irmgard wird um das Jahr 1002 vermutet. Sie soll zwischen 1020 und 1030 den Grafen Kadelo geheiratet haben, diese Ehe sei kinderlos geblieben.[4][5] Sie konnte ein großes Vermögen verwalten und wohnte in Köln, wo sie Wohltäterin für die Armen der Stadt gewesen sein soll. Sie stiftete eine Kirche in Haldern und gründete das Kollegiatstift in Rees. Beigesetzt wurde sie im Kölner Dom; 1319 wurden ihre Gebeine in die Agneskapelle im neuen Chor überführt.[6]

Nach einer Rekonstruktion starb Gräfin Irmgard von Aspel im Frühjahr 1064/1065.[7] Ihre jüngere Schwester Irmtrud von Aspel machte 1075 die Schenkung von Rees an das Erzbistum. Eine von Irmtruds Töchtern war die spätere Eremitin Irmgard von Süchteln, welche demnach auch die drei Pilgerfahrten nach Rom unternommen haben soll.[4]

Nach einer anderen Rekonstruktion war die ältere Irmgard von Aspel ein Einzelkind. Als entfernte Cousine von Kaiser Heinrich III. schenkte dieser ihr im Jahr 1041 mehrere Landgüter, die nach ihrem Tod 1065 in den Besitz ihrer Töchter Irmtrud und Irmgard übergegangen seien. Die Tochter Irmtrud nahm 1075 die Schenkung an das Erzbistum vor; die Tochter Irmgard unternahm die Pilgerfahrten nach Rom und wurde Einsiedlerin.[8]

Eine weitere Interpretation der Quellen gibt an, dass es sich um eine einzige Person gehandelt habe, welcher Legenden bezüglich Einsiedlertum und Pilgerfahrten angedichtet worden seien; nur eines der Todesdaten (um 1065 oder um/nach 1080) könne stimmen; die Übertragung der Landgüter an das Erzbistum Köln sei „nach 1040“ erfolgt.[1]

Verehrung und Gedenken

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Im Jahr 1142 berief sich Erzbischof Arnold von Köln auf die Schenkung von Rees und erwähnte Irmtrudis in einer Urkunde als christianissima mulier an, als „allerchristlichste (Ehe-)Frau“. Eine weitere Urkunde des Kölner Domkapitels von 1319 verzeichnete Yrmetrudis als Stifterin wohltätiger Gaben. In dieser Urkunde von 1319 wird Irmtrudis erstmals als „heilig“ bezeichnet.[9] Im 14. und 15. Jahrhundert wird sie weithin als beate Ernitrudis (selige Irmtrud) verehrt. Im ausgehenden 15. Jahrhundert berichtete dann der Chronist Willem van Berchen davon, dass Irmgard Süchteln im Jahr 1071 einem Kloster vermacht habe. In derselben Zeit beginnt in Süchteln die Verehrung der heiligen Irmgardis; während der Name Irmtrudis verdrängt wurde.[8] 1523 wurde unter dem Titel Eyne schone sunerlyche Historie van der edeler vnd hillyger Junferen sent Jrmgard eine deutschsprachige Legende im Kölner Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts gedruckt (VD 16, S 3401).[10]

Der Kult konzentriert sich im Wesentlichen auf Süchteln, die „Irmgardisstadt“. Irmgard gilt als Stadtpatronin, die das Gemeinwesen in Notlagen beschützt. Ihren Namen tragen in Süchteln unter anderem das St. Irmgardis-Krankenhaus Süchteln, ein Kindergarten, das Irmgardis-Stift (früher Mädchenpensionat, heute ein Altenheim) sowie die Irmgardiskapelle auf dem sogenannten Heiligenberg, der angeblichen Wirkungsstätte der Heiligen. In der Isselburger Straße in Haldern steht eine von der Künstlerin Elly Fleiter (Kleve) geschaffene Statue.[11]

Zu den Attributen der Heiligen zählt der Pilgerstab und ein blutiger Handschuh (aufgrund einer Legende um ihren Transport von Reliquien).[1]

Den Namenstag der Heiligen begeht die katholische Kirche jährlich am 4. September, dem Todestag der Heiligen.

Einmal im Jahr, jeweils im September (am Sonntag nach dem 4. September oder am 4. September selbst), findet ihr zu Ehren die Irmgardis-Oktav statt, eine achttägige kirchliche Veranstaltung mit Gottesdiensten. Der Beginn der Feierlichkeiten, zu denen alljährlich auch viele Gäste von außerhalb, teils auch aus dem Ausland erwartet werden, ist die Irmgardisprozession, bei der die Monstranz mit Gebeinen der hl. Irmgard von der Süchtelner Pfarrkirche St. Clemens über einen Kreuzweg mit Kniefallstationen zur Irmgardiskapelle verbracht wird. Im Anschluss findet dort ein Waldgottesdienst statt.

Der Irmgardispfad verläuft als Wander- und Pilgerpfad nahe der niederrheinischen Kreisstadt Viersen.

Literatur

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  • Arie Nabrings: Irmgardis von Süchteln, Volksheilige. Portal Rheinische Geschichte, 8. März 2013.
  • Josef Kleinermanns: Die h. Irmgardis von Aspel und ihre Beziehungen zu Rees, Süchteln und Köln: ein Beitrag zur Rhein. Heilieauff, Köln 1900 (Digitalisat)
  • Arie Nabrings: Die hl. Irmgardis von Süchteln. Rheinlandia, Siegburg 1995, ISBN 3-931509-01-X.
  • Peter Norrenberg: Die heilige Irmgardis von Süchteln. Aus der rheinischen Geschichte, Band 19. Bonn 1894.
  • Margret Riedel: St. Irmgardis – Herrscherin und Heilige vom Niederrhein. Teil 1 und 2. Wesel-Diersfordt 1985. Keine ISBN, offenbar ohne ISBN erschienen.
  • Irmgardis, B. [1]. In: Johann E. Stadler, Franz Joseph Heim, Johann N. Ginal (Hrsg.): Vollständiges Heiligen-Lexikon … Band 3: [I]K–L. Herder, Freiburg im Breisgau 1869, S. 57 (Digitalisat. zeno.org).
  • Irmgard von Süchteln: Volksheilige und Phantom. In: Paul Eßer, Torsten Eßer: Viersener Köpfe. Bekannte Bürger(innen) unserer Stadt und ihre Geschichte(n). Kater Verlag, Viersen 2023, S. 120–123. ISBN 978-3-944514-21-5
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Commons: Irmgard von Süchteln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c Klaus-Gunther Wesseling: Irmgard von Köln. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Bautz, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 1334-1335.
  2. B. Irmgardis. In: Johann Evangelist Stadler: Vollständiges Heiligen-Lexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Seligen etc. etc. aller Orte und aller Jahrhunderte, deren Andenken in der katholischen Kirche gefeiert oder sonst geehrt wird. Band 3: I–L. Schmid, Augsburg 1869, S. 57.
  3. Heiligenlexikon.de: Irmtrud von Köln
  4. a b Aspel – wer war die Stifterin der Burg? Der Westen, 21. April 2015.
  5. Nur durch die Ehe mit Kadelo erklärt sich laut Wesseling ihre Bezeichnung als Gräfin, da ihre Besitzungen keine Grafschaft gewesen seien.
  6. Irmgard von Köln. Heiligenlexikon.de
  7. Ekkart SauserIrmgard, Gräfin von Aspel. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 23, Bautz, Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3, Sp. 719–720.
  8. a b Irmgardis von Süchteln, Volksheilige. lvr.de, Rheinische Geschichte.
  9. Josef Kleinermanns: Die h. Irmgardis von Aspel und ihre Beziehungen zu Rees, Süchteln und Köln: ein Beitrag zur Rhein. Heiligengeschichte. Stauff, Köln 1900, S. 20.
  10. S 3401 im VD 16.
  11. Kunst in den Ortsteilen. Abgerufen am 7. November 2024.
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