Lisp ist eine Familie von Programmiersprachen, die 1958 erstmals spezifiziert wurde und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Anlehnung an den ungetypten Lambda-Kalkül entstand. Es ist nach Fortran die zweitälteste Programmiersprache, die noch verbreitet ist.

Lisp
Paradigmen: multiparadigmatisch: funktional, prozedural; manche Dialekte außerdem modular, objektorientiert, reflexiv
Erscheinungsjahr: 1958
Designer: John McCarthy
Entwickler: Steve Russell, Timothy P. Hart, Mike Levin
Typisierung: dynamisch
Dialekte: Common Lisp, Scheme, Emacs Lisp und viele weitere
Beeinflusst von: Lambda-Kalkül, Fortran, IPL
Beeinflusste: Logo, Perl, Smalltalk, Clojure, Python, RPL, Ruby, Dylan, Mathematica, REBOL, Haskell, Snap! / BYOB

Auf Basis von Lisp entstanden zahlreiche Dialekte. Zu den bekanntesten zählen Common Lisp und Scheme. Daher bezieht sich der Begriff Lisp oft auf die Sprachfamilie und nicht auf einen konkreten Dialekt oder eine konkrete Implementierung.

Geschichte

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Eine Lisp-Maschine im MIT-Museum

Lisp steht für List Processing (Listen-Verarbeitung). Damit waren ursprünglich Fortran-Unterprogramme gemeint, mit denen symbolische Berechnungen durchgeführt werden sollten, wie sie der Lambda-Kalkül definiert. Steve Russell, einer der Studenten von John McCarthy, kam dann auf die fundamentale Idee, auf Grundlage dessen Formulierung eines „Lisp-Interpreters in Lisp“ einen Interpreter für diese Ausdrücke für die IBM 704 zu schreiben. Damit war die Programmiersprache Lisp geboren.

Die Grunddatenstrukturen von Lisp sind Einzelwerte (z. B. Symbole, Zahlen, Zeichenketten), die Atome genannt werden, und Cons-Zellen, aus denen Listen gebildet werden. Die Listen können beliebig verschachtelt werden (Listen von Listen). Damit lassen sich auch leicht Datenstrukturen wie ein assoziatives Array implementieren. Listen werden zur Darstellung in Lisp in runde Klammern gefasst:

(A B C)

Auch Programmanweisungen sind (verschachtelte) Listen, bei denen das jeweils erste Listenelement die auszuführende Funktion identifiziert. Es gibt somit keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Daten und Programmen; diese Eigenschaft wird Homoikonizität genannt. Der Programmierer kann so beispielsweise neue Kontrollstrukturen oder Objektsysteme (OOP) entwickeln (Metaprogrammierung, Makros). Es ermöglicht aber auch Programmteile zur Laufzeit beliebig zu manipulieren.

Lisp bietet dem Programmierer große Flexibilität und weitreichende Einflussmöglichkeiten, weshalb es manchmal auch als programmierbare Programmiersprache bezeichnet wird. Datenstrukturen werden dynamisch aufgebaut, ohne dass der Programmierer explizit Speicherplatz reservieren oder freigeben muss (siehe auch Garbage Collection). Deklarationen für Datentypen sind optional und ein Lisp-Symbol kann als Variable für beliebige Arten von Objekten stehen. Viele dieser Eigenschaften sind im Laufe der Zeit in weitere Programmiersprachen übernommen worden. Anfang der 1960er waren sie jedoch ihrer Zeit weit voraus.

In den 1970er und 1980er Jahren wurden spezielle Lisp-Maschinen entwickelt und vertrieben. Diese ermöglichten das schnelle Ausführen von Lisp-Programmen, was auf damaligen allgemeinen Computern nur unter dem Verzicht auf Typüberprüfung und automatische Speicherbereinigung möglich war. Dies hat sich durch schnellere Computer jedoch geändert.

Programme in Lisp können interpretiert oder von einem Compiler in effizienten Code übersetzt werden. Typische Compiler sind Batch-Compiler oder inkrementelle Compiler. Inkrementelle Compiler können einzelne Ausdrücke übersetzen. Batch-Compiler übersetzen einzelne Lisp-Dateien oder ganze Lisp-Programme. Compiler übersetzen entweder in einen Bytecode für eine virtuelle Maschine, in andere Programmiersprachen (oft in C) für die weitere Übersetzung oder in Maschinencode für einen Prozessor.

Das Akronym LISP wird manchmal scherzhaft als „Lots of Irritating Superfluous Parentheses“ (eine Menge lästiger, überflüssiger Klammern) interpretiert.

Bedeutung

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Historisch gesehen gehört Lisp zusammen mit Prolog zu den wichtigsten Programmiersprachen der künstlichen Intelligenz. Durch Lisp ist erstmals der Lambda-Kalkül zum Kern einer Programmiersprache gemacht worden. Dieser ist ein wesentliches Element der Semantik vieler moderner Programmiersprachen.

Im Unterschied zu Europa, wo Programmiersprachen wie Assembler, Fortran oder Pascal als klassische Vertreter der Familie der prozeduralen Programmiersprachen gelehrt wurden, war und ist zum Teil bis heute in den Vereinigten Staaten Lisp, bzw. einer seiner moderneren Dialekte wie Scheme, die erste gelehrte Programmiersprache. Das hatte einen großen Einfluss, da es sich bei den klassischen Vertretern der prozeduralen Sprachfamilien um Vertreter einer statischen Verarbeitungsweise von Daten handelt, während unter anderem Lisp ein strikt dynamisches Konzept vertritt.

Lisp benutzt S-Expressions als externes Format, um sowohl Quelltext als auch Daten darzustellen. Funktions- und Makroaufrufe werden als Listen geschrieben, die als erstes Element den Namen der Funktion bzw. des Makros enthalten. Kommentare werden mit einem oder mehreren ; eingeleitet.

Beispiele in Common Lisp:

;; Addiere 2 und 3 und 4:
(+ 2 3 4)

;; Setze die Variable p auf den Wert 3,1415:
(setf p 3.1415)

;; Definiere eine Funktion, die ihr Argument quadriert:
(defun square (x)
  (* x x))

;; Quadriere die Zahl 3:
(square 3)

LISP-Hallo-Welt-Programm:

(princ "Hello, world!")
(terpri)

Mit (terpri)[1] erfolgt ein Zeilenumbruch.

Minimaler Funktionsumfang für Lisp

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Um ein minimales Lisp-System zu implementieren, sind nur sehr wenige Operatoren und ein allgemeiner Mechanismus zur Funktionsdefinition nötig. Die folgenden Funktionen sind im ursprünglichen Bericht von McCarthy enthalten:

  • first (gibt das erste Element einer Liste zurück; hieß ursprünglich car (von Contents of Address Part of Register))
  • rest (gibt die Restliste (ohne das erste Element) zurück; hieß ursprünglich cdr (von Contents of Decrement Part of Register))
  • cons (Erzeugt aus zwei Zeigern ein CONS-Paar und gibt einen Zeiger auf dieses zurück. Kann zum Beispiel verwendet werden, um ein Element an den Anfang einer Liste anzufügen) (von CONStruct)
  • quote (verhindert die Auswertung des nachfolgenden Objekts)
  • eq (Test auf Identität zweier oder mehrerer Objekte)
  • cond (bedingte Ausführung: Übernimmt eine beliebig lange Liste von Paaren, die jeweils aus einer Bedingung und einer Berechnungsvorschrift bestehen. Gibt das Auswertungsergebnis der ersten Berechnungsvorschrift zurück, deren zugehörige Bedingung wahr ist)
  • Mechanismus zur Funktionsdefinition lambda

Bereits mit diesen Sprachmitteln kann ein bemerkenswerter Teil der Funktionen, die übliche Lisp-Systeme mitbringen, definiert werden.

Datentypen

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In der Originalversion von Lisp gab es zwei grundsätzliche Datentypen: Atome und Listen. Atome hießen so, weil sie nicht verändert werden konnten. Listen waren Sequenzen von Elementen, wobei diese Elemente Atome oder Unterlisten sein konnten. Ein Atom war entweder eine Zahl oder ein Symbol. Ein Symbol war eine alphanumerische Zeichenkette, die als Variablenname oder Datenelement beim symbolischen Rechnen verwendet wurde.

Intern wurde ein Symbol-Atom nur einmal in der Symboltabelle abgespeichert. Zwei Symbolatome, die gleich geschrieben wurden und an verschiedenen Stellen im Quelltext vorkamen, repräsentierten dasselbe Objekt.

Später wurden in den Lisp-Dialekten weitere Datentypen eingeführt, und das Konzept der Lisp-Atome verlor an Bedeutung.

“Lisp is a programmable programming language.”

„Lisp ist eine programmierbare Programmiersprache.“

John Foderaro: CACM, September 1991[2]

“Lisp seems to be a lucky discovery of a local maximum in the space of programming languages.”

„Lisp scheint die glückliche Entdeckung eines lokalen Maximums in der Menge der Programmiersprachen zu sein.“

John McCarthy: Let Over Lambda

Lisp-Dialekte

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Historisch relevante Dialekte

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  • LISP 1.5 war die erste Lisp-Version, die über das MIT hinaus verbreitet wurde und enthält die erste funktionsfähige Quelle einer Lispimplementierung.
  • Maclisp war ein weit verbreiteter und einflussreicher Vorläufer von Common Lisp und die ursprüngliche Implementationssprache des Computeralgebrasystems Macsyma.
  • InterLisp entwickelte sich ab 1967 aus BBN-Lisp und wurde zu Interlisp-D weiterentwickelt, das ein komplettes Entwicklungssystem für die Lisp-Maschine Xerox Dolphin bildete. 1992 verlieh die ACM den Software System Award an Daniel G. Bobrow, Richard R. Burton, L Peter Deutsch, Ronald Kaplan, Larry Masinter und Warren Teitelman für ihre Pionierarbeit an InterLisp.
  • ZetaLisp (auch Lisp Machine Lisp genannt) ist eine Weiterentwicklung von Maclisp und lief auf verschiedenen Lisp-Maschinen. Auf Basis dieses Dialekts wurde Flavors, die erste objektorientierte Erweiterung, entwickelt.
  • Franz Lisp wurde 1978 aus MacLisp entwickelt, um auf einer VAX das Computeralgebrasystem Macsyma laufen zu lassen. Es fand weite Verbreitung, weil es mit BSD Unix ausgeliefert wurde. Später wurde die Firma Franz Inc. gegründet, um dieses Lisp zu pflegen. Seit Mitte der 80er Jahre verkauft Franz Inc. aber eine Common-Lisp-Implementierung (Allegro CL).
  • XLISP ist ein LISP mit objektorientierten Erweiterungen, das auch auf schwächeren Computern lief. Eine bekannte Anwendung ist das Statistikpaket XLispStat.
  • EuLisp war ein europäischer Versuch, ein aufgeräumtes und einheitliches Lisp zu definieren.
  • ISLisp ist ein ISO-standardisierter, kompakter Lisp-Dialekt, der sich für die Programmierung eingebetteter Systeme eignet.
  • Portable Standard Lisp und das sogenannte Standard Lisp wurden ab 1980 an der University of Utah entwickelt und vor allem für das Computeralgebrasystem Reduce genutzt. Darin war es in einer ALGOL-artigen Syntax als Skriptsprache RLISP nutzbar.
  • S-1 Lisp war ein Lisp für den Supercomputer S-1 Mark IIA.

Später verbreitete Dialekte

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  • Common Lisp ist der umfangreichste und in der Praxis am häufigsten eingesetzte Lisp-Dialekt. Er ist ANSI-standardisiert und bietet Unterstützung für prozedurale Makros, lexikalische wie dynamische Variablenbindung und vieles mehr. Der Name erinnert an die Absicht, mehrere inkompatible Bestrebungen zu vereinigen, einen Nachfolger für Maclisp zu finden (ZetaLisp, Spice Lisp, NIL und S-1 Lisp). Weitere Einflüsse waren InterLisp und Scheme.
  • Scheme ist eine minimale und elegante Variante, die u. a. Continuations unterstützt. Im Gegensatz zu Common Lisp kennt sie nur lexikalische Variablenbindung und hygienische Makros. Sie findet aufgrund ihrer Einfachheit häufig in der Lehre Gebrauch, obgleich auch produktive Programmierung mit ihr möglich ist und praktiziert wird.
  • Clojure ist ein Lisp-Dialekt, der auf der Java Virtual Machine läuft und Interoperabilität zu Java bietet.
  • Emacs Lisp ist die Skriptsprache des Texteditors GNU Emacs.

Dialekte für besondere Zwecke

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Neuere Entwicklungen

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Literatur

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  • John McCarthy: LIPS 1.5: Programmer's Manual. The MIT Press, Cambridge, Mass. 1962 (106 S.).
  • Anthony C. Hearn: Standard LISP. University, Stanford, Calif. 1969.
  • Walter Sonnenberg: Anwendung von Lisp zur Definition und Implementierung Algolähnlicher Programmiersprachen. Universität Karlsruhe, 1970.
  • John McCarthy, Carolyn L. Talcott (Hrsg.): LISP: Programming and proving. Stanford University, Stanford 1978.
  • Herbert Stoyan: LISP-Programmierhandbuch: Eine Sprache für die nichtnumerische Informationsverarbeitung. Akademie-Verlag, Berlin 1978 (208 S.).
  • Herbert Stoyan: LISP: Anwendungsgebiete, Grundbegriffe, Geschichte. Akademie-Verlag, Berlin 1980 (480 S.).
  • Herbert Stoyan, Günther Görz (Hrsg.): LISP: Eine Einführung in die Programmierung. Springer, Berlin 1984, ISBN 3-540-13158-2 (358 S.).
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Einzelnachweise

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  1. Foldoc Jargon File: Herkunft des Schlüsselworts terpri. Abgerufen am 2. Dezember 2010.
  2. Lisp is a Chameleon. paulgraham.com
  3. Arc Forum, abgerufen am 6. November 2016.
  4. About newLISP
  5. (lisp (flavoured (erlang))). Abgerufen am 7. Juli 2019.
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