Schwammstadt

eingetragene Wortmarke für ein ökologisch orientiertes Stadtplanungskonzept

Schwammstadt (englisch Sponge City) ist ein neues Konzept der Stadtplanung, um möglichst viel von anfallendem Regen- bzw. Oberflächenwasser vor Ort aufzunehmen und zu speichern.

Das wertvolle Wasser soll nicht mehr schnell abgeleitet werden und in der Kanalisation verschwinden. Dadurch sollen z. B. Überflutungen bei Starkregen-Ereignissen vermieden bzw. verringert, das Stadtklima verbessert und die Gesundheit von Stadtbäumen sowie die Resilienz von gesamten Stadtökosystemen gefördert werden, was im Zuge der globalen Erwärmung und der Biodiversitätskrise immer wichtiger wird. Darüber hinaus tragen Stadtpflanzen zur Verbesserung der Grünen Infrastruktur, der Stadthygiene sowie des Mikroklimas bei.

Durch den hohen Grad an Flächenversiegelung in modernen Großstädten wird das meiste Niederschlagswasser über die Kanalisation abgeleitet. Bei Starkregen müssen daher hohe Abflussmengen transportiert werden, bei Überlastung des Kanalnetzes kann es bisweilen zu urbanen Sturzfluten kommen. In der warmen Jahreszeit entstehen durch die Versiegelung urbane Hitzeinseln. Bei langanhaltender Trockenheit heizen die versiegelten Flächen, Beton-, Stahl- und Glasfassaden die Stadt zusätzlich auf, ohne dass verdunstendes Wasser für Kühlung sorgen kann.

Mit dem Konzept Schwammstadt soll Regenwasser dort zwischengespeichert werden, wo es fällt. Umwelttechnische und landschaftsarchitektonische Infrastruktur dafür sind etwa versickerungsfähige Verkehrsflächen und Pflaster, Mulden, Rigolen, urbane Grünflächen und Feuchtgebiete.[1] Durch Elemente grüner Infrastruktur wie Bäume, Fassadenbegrünung und Dachbegrünung kann ein Teil des Wassers verdunsten und so zur Kühlung der Stadt beitragen. Ein weiterer Teil kann versickern. Somit wird das Kanalnetz entlastet.[1]

Bäume können einen großen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas leisten, indem sie Schatten spenden und große Verdunstungsflächen bereitstellen. Wasser, das sie aus dem Boden aufnehmen, verdunstet über ihre Blätter, die dabei entstehende Verdunstungskühlung verbessert das lokale Mikroklima. Damit Bäume eine große Krone entwickeln können, brauchen sie viel Platz für ihre Wurzeln. Um Wasser im Grund zwischenspeichern zu können und um genug Platz für Wurzelwachstum bereitzustellen, muss der Boden aufgelockert statt verdichtet sein. Zugleich muss der Boden aber auch genügend Stabilität für Straßen und Gehwege bieten.[2] Dies kann etwa durch eine Mischung aus Splitt, Kompost und anderen wasserspeichernden feinen Materialien erzielt werden.[2][3][4]

In der Schwammstadt sollen Pflanzen vermehrt in die Stadtplanung einbezogen werden, da diese auf kleiner Fläche eine hohe Verdunstung erzielen können. Weiterhin soll durch Versickerungsanlagen die Grundwasserneubildung unterstützt werden. Maßnahmen wie z. B. die Mulden-Rigolen-Elemente können dabei eine Versickerung bei weniger durchlässigen Böden gewährleisten.[5]

Zur Erhöhung der Speicherkapazität können in der Schwammstadt Teiche, technische Feuchtgebiete oder auch unterirdische Regenwasserspeicher angelegt werden, welche dazu beitragen können, das Wasser von Starkregenereignissen zurückzuhalten. Über oberirdische, offene Speicher kann dabei eine hohe Verdunstung erzielt werden, während unterirdische Speicher in Trockenperioden zur Bewässerung genutzt werden können. Diese können in Zusammenarbeit mit intelligenter Steuerung und Wetterprognosen ebenfalls als Rückhalteraum verwendet werden. In diesem Fall werden Speicher vor einem angekündigten Regenereignis entleert und sind damit fähig, das nahende Ereignis aufzufangen.[5]

Um die bei Starkregenereignissen anfallenden Wassermassen zurückzuhalten, können in der Schwammstadt multifunktionale Flächen ausgebildet werden, welche zur Regenzeit das anfallende Wasser zwischenspeichern, während sie außerhalb dieser Zeiten anderweitig genutzt werden können.[5]

Wesentliche Aspekte des Konzepts – etwa die Vermeidung schnellen Wasserabflusses in städtischen Gebieten oder die Wiedervernässung von Flussauen mit dem Ziel des Temperaturausgleichs und der Nährstoffretention – wurden bereits in den 1980er Jahren in ökologischen Wasserwirtschafts- und Landnutzungskonzepten vorgestellt, zum Beispiel durch den in Berlin lehrenden Limnologen Wilhelm Ripl[6].

Bildbeispiele

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Umsetzung

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Nach einem katastrophalen Hochwasser im Sommer 2011, als an einem Tag so viel Regenwasser fiel wie sonst in zwei Monaten, entwickelte Kopenhagen unter dem Namen Skybrudsplan (übersetzt: Wolkenbruchplan) städtebauliche Vorkehrungen, um die Stadt bis in das 22. Jahrhundert hinein besser gegen Starkregen und Hochwasser zu schützen. Die 300 städtebaulichen Maßnahmen, die unter anderem Grünanlagen, angepasste Straßen sowie Rückhaltebecken vorsehen und 1,8 Milliarden Euro kosten, sollen im Jahr 2035 abgeschlossen sein und Kopenhagen in eine Schwammstadt verwandeln.[7][8]

Nach verheerenden Überschwemmungen in Peking 2012 legte die Volksrepublik China größeres Augenmerk auf Hochwasserschutz. 2015 wurde eine Initiative gestartet, 16 Städte als Vorzeigeprojekte nach dem Konzept der Schwammstadt zu gestalten. Später wurde die Initiative auf 30 Städte ausgedehnt. 70 Prozent des Regenwassers sollen dort aufgefangen, wiederverwendet oder vom Untergrund aufgesogen werden. Auch die Wiederherstellung und Renaturierung von natürlichen Wasserläufen soll vor Überschwemmungen schützen.[9]

Für Deutschland nehmen zum Beispiel Berlin und Hamburg eine Vorreiterrolle ein.[10] Beispiele sind die Hamburger Gründachstrategie[11] oder die Berliner Regenwasseragentur.[12]

In der Seestadt Aspern in Wien wird das Prinzip der Schwammstadt bereits in einigen Straßenzügen im Quartier Am Seebogen umgesetzt.[3] Darla Nickel, Leiterin der Berliner Regenwasseragentur, sieht Kiezblocks als mögliches Planungskonzept, um Schwammstadt-Prinzipien im öffentlichen Raum zu verwirklichen,[13] da diese erwiesenermaßen Flächennutzungskonflikte entschärften.[14] Auch der Wiener Praterstern wurde bereits nach diesem Konzept im Jahr 2022 fertiggestellt.[15]

In der Schweiz lancierten Fachleute im Jahr 2022 die Initiative Schwammstadt, um für das Thema im Bereiche der Siedlungsentwicklung zu sensibilisieren und um für die Verbreitung der Information zu sorgen.[16]

Der Begriff Schwammstadt ist eine eingetragene Wortmarke eines Berliner Landschaftsarchitekturbüros.[17]

Literatur

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Wiktionary: Schwammstadt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b Sieker: Das Konzept der Schwammstadt (Sponge-city). Abgerufen am 3. März 2024.
  2. a b Die Schwammstadt lässt Bäume wachsen. 16. März 2019, abgerufen am 3. März 2024.
  3. a b ktv_creitmayr: Schwammstadt-Prinzip für klimafitte Stadtbäume. Abgerufen am 3. März 2024.
  4. das Schwammstadt-Prinzip für Bäume. Abgerufen am 3. März 2024 (deutsch).
  5. a b c Heiko Sieker: Regenwassermanagement zwischen Starkregen und Hitzestress. In: Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau e.V (Hrsg.): Wasser und Abfall. Nr. 10, 2021, S. 40 ff.
  6. Wilhelm Ripl 1991: Das Energie-Transport-Reaktionsmodell (ETR-Modell) – ein prozessorales Wassermodell als Grundlage für eine reduzierte gesamtökologische Betrachtung. In: Dt. Ges. für Limnologie (DGL). Erw. Zusammenfassung der Jahrestagung (1991), S. 531–535.
  7. Hochwasser: Wie Kopenhagen zur Schwammstadt wird. In: zdf.de. 21. Mai 2022, archiviert vom Original am 1. September 2023; abgerufen am 1. September 2023.
  8. Jan Petter: Schutz vor Klimawandel in Kopenhagen: Unsere Stadt, ein Schwamm. In: Der Spiegel. 31. August 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 1. September 2023]).
  9. Helen Roxburgh: China's 'sponge cities' are turning streets green to combat flooding. In: The Guardian. 28. Dezember 2017, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 3. März 2024]).
  10. Die Schwammstadt - Altbau neu gedacht. 12. Oktober 2022, archiviert vom Original am 12. Oktober 2022; abgerufen am 3. März 2024.
  11. Jörg Römer: Klimawandel: Städte bereiten sich auf Wassermassen und Dürre. In: Der Spiegel. 24. September 2018, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 3. März 2024]).
  12. Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung in Berlin: Wir sind für Sie da. Abgerufen am 3. März 2024.
  13. Interview: Lola Zeller: Berliner Regenwasser-Expertin: »Wir müssen an den Bestand ran«. In: nd-aktuell.de. 1. September 2023, abgerufen am 7. September 2023.
  14. Sven Eggimann: Expanding urban green space with superblocks. In: Land Use Policy. Band 117, Juni 2022, S. 106111, doi:10.1016/j.landusepol.2022.106111 (elsevier.com [abgerufen am 7. September 2023]).
  15. Praterstern wird zur Oase am Portal der Stadt Wien abgerufen am 2. November 2024
  16. Städte von Morgen: Die Schwammstadt als Antwortm Bundesamt für Umwelt BAFU, 2022
  17. DPMAregister | Marken - Registerauskunft. Abgerufen am 12. Mai 2023.
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