Thun und Hohenstein

Tridentiner-Tiroler Adelsgeschlecht

Thun bzw. Thun und Hohenstein ist der Name eines österreichischen Uradelsgeschlechts aus dem Fürstbistum Trient, das seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar ist. Der Stammsitz der bischöflichen Ministerialen lag auf dem Nonsberg. Die Familie bewachte und beherrschte bald von etlichen Burgen aus fast das gesamte Nonstal[1], mehrere frühe Höhenburgen liegen in der Nähe des namensgebenden Ortes Ton (Thun in Tirol). Einzelne Zweige sind bis heute im Trentino ansässig, dessen einst hochstiftliche Gebiete ab 1803 zur Grafschaft Tirol im Kaisertum Österreich kamen. Schon seit Anfang des 15. Jahrhunderts waren auch Besitzungen in der benachbarten Grafschaft, also im heutigen Südtirol an die Familie gelangt.

Stammwappen derer von Thun

Um 1600 gingen Zweige nach Böhmen und Mähren, wo sie ausgedehnten Grundbesitz erwarben. Vertreter der Familie lebten auch in Wien und anderen Regionen der Habsburgermonarchie, zu deren bedeutendsten Adelsgeschlechtern sie aufstiegen. 1604 wurde die Familie in den Freiherrenstand erhoben, 1629 durch Kaiser Ferdinand II. in den Reichsgrafenstand. Mit der zuvor reichsunmittelbaren Grafschaft Hohenstein, heute: Hohenstein (Thüringen), wurde Christoph Simon von Thun während des Dreißigjährigen Krieges 1628 belehnt, allerdings nur kurzzeitig bis 1648, und fügte deren Namen dem seinen hinzu.

Im Jahr 1911 erfolgte in Cisleithanien (dem westlichen Teil Österreich-Ungarns) durch Kaiser Franz Joseph I. die Erhebung in den Fürstenstand mit dem Prädikat „Durchlaucht“. Die Familie gehört dem Hochadel an. Das Adelsgeschlecht stellte viele Bischöfe, Erzbischöfe und einen Kardinal sowie 1898/1899 den k.k. Ministerpräsidenten in Altösterreich. Von 1861 bis 1918 hatten die Grafen von Thun und Hohenstein einen erblichen Sitz im Herrenhaus inne.

Etymologie und Namensentwicklung

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Die Herren von Thun waren am Anfang ihrer Existenz den diversen sprachlichen Einflüssen in der Alpenregion ausgesetzt. In den durchwegs lateinischen Urkunden des 11. bis 13. Jahrhunderts wurden sie auch Thunne, Tunnum, Tonnum, Tonno, Tono und Tunno genannt. Am Nonsberg verlief die Sprachgrenze, nur die Dörfer am nördlichen Rand des Tales waren deutschsprachig, die übrigen überwiegend ladinisch.

Als Simon von Thun 1407 in den Elephantenbund eintrat, etablierte sich der Name Thun endgültig und fand fortan Verwendung. Mit Beginn der Herrschaft über die Grafschaft Hohenstein ab dem Jahr 1628 wurde diese Teil des Familiennamens.

Als Thun und Hohenstein sind die verschiedenen Linien im Adelsarchiv registriert.

Genealogie mit folgenden Hauptlinien,[2]:

  • Linie Castel Thun(n)
  • Linie Castel Caldes († 1633)
  • Linie Castel Brughier
    • Böhmische Linie
      • Linie Klösterle
      • Linie Tetschen
      • Linie Choltic
      • Linie Ronsperg-Benatek
    • Linie Castel Brughier – auch Tirolische oder Südtirolische Linie
      • Linie Castel Croviana († 1743)
      • Zweite Linie Castel Caldes († 1741)
      • Letzte Linie Castel Caldes († 1850)

Herkunft und Besitztümer im Hochstift Trient und in Tirol

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Castel Thun bei Ton (Thun in Tirol) im Nonstal, Provinz Trient

Die Ursprünge des Geschlechts Thun und Hohenstein, das bis ins 12. Jahrhundert urkundlich belegt ist und in Legenden sogar mit dem Heiligen Vigilius, dem Schutzpatron von Trient (4. Jahrhundert), in Verbindung gebracht wird, liegen auf dem Nonsberg in Welschtirol (heute Trentino). Dort gibt es heute noch die mehrere Dörfer umfassende Gemeinde Ton (Thun in Tirol), wo auch die gleichnamige Pfarre ihren Sitz hatte, die es ab immemorabili gab. Der erste Familiensitz befand sich wahrscheinlich auf dem Dosso del Castelletto, wo heute das Kirchlein S. Margherita steht; Albert von Tonne wurde 1199 mit der Anhöhe Visione bei der Engstelle Rocchetta am Eingang des Nonsberges belehnt. Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Familie mit dem heutigen Castel Thun in der Gemeinde Ton belehnt, das bis ins 15. Jahrhundert als Castrum Novesini oder Belvesini bezeichnet wird.

Erstmals erwähnt wird das Geschlecht mit Bertholdus de Tonne 1145 als Zeuge bei der Stiftung des Augustiner-Chorherrenstifts St. Michael durch die Grafen von Eppan. Der Aufstieg der Thuns begann mit dem Aussterben der Eppaner 1273, wodurch sie ihren Lehnsbesitz ausdehnen konnten. Der Erwerb von Ländereien beschleunigte sich im 14. Jahrhundert, in einer Zeit großer Spannungen zwischen dem Fürstbistum Trient und der Grafschaft Tirol. Auch dank ihrer weitsichtigen Heiratspolitik kam die Familie Thun in den Besitz zahlreicher und bedeutender Rechte und Besitztümer. Zu den bedeutendsten gehörten Castel Thun und Castel Bragher sowie das Castel di Castelfondo. Castel Thun ging 1982 aus der Familie und ist jetzt Museum mit originalem Inventar, die beiden letzteren befinden sich bis heute im Eigentum der Familie.

Zum historischen Besitz im Trentino und in Südtirol zählen u. a.:

sowie

Weitere Geschichte

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Im 15. Jahrhundert konnten die Thun ihre Macht und ihre Besitztümer weiter steigern. Parallel dazu wuchs auch ihr Prestige. Im Jahr 1469 wurde ihnen das erbliche Hofamt des Mundschenks des Fürstbistums Trient verliehen und 1558 dasselbe Amt im Fürstbistum Brixen. 1604 erhielten sie von Kaiser Rudolf II. den Freiherrentitel.

Bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts gelang es der Familie, ihr Vermögen ungeteilt zu bewahren, obwohl sich bereits mehrere Linien abgezeichnet hatten; danach nahm Sigmund (1537–1597) in seiner Eigenschaft als Senior der Familie die Aufteilung der Güter in drei Teile vor. Nach einer langen und problematischen Transaktion, die durch die formelle Urkunde vom 9. April 1596 besiegelt wurde, bestätigte sich die Unterteilung in die drei Linien Castell Thun, Castell Brughier und Castell Caldes (1633 erloschen).

Die Linie Castell Brughier wurde nach dem Tode Sigmunds unter dessen drei Söhnen erneut aufgeteilt:

  • Johann Cyprian (1569–1631) erhielt die Gerichtsbarkeit über Castelfondo;
  • Georg Sigismund (1573–1651) bekam Castell Brughier;
  • Christoph Simon (1582–1635) erbte eine Anzahl von Liegenschaften, aber keine Burg.

Der Letztere machte dennoch große Sprünge, dank des Dreißigjährigen Krieges: vom Nonsberg nach Böhmen, vom Herrn über Berghöfe zum Besitzer riesiger Schlösser und Ländereien, vom Ritter zum Reichsgrafen. Im Türkenkrieg erwarb er sich das Vertrauen Kaiser Ferdinands II. (1578–1637), wurde später Ausbilder und enger Vertrauter von dessen Sohn, dem ungarischen König und späteren Kaiser Ferdinand III., und konnte sich vor allem an den Verwertungen der konfiszierten Güter der protestantischen böhmischen Exulanten nach der Niederschlagung des Böhmischen Ständeaufstandes beteiligen, was ihn zu einem der größten Grundherren im Egertal machte. 1629 griff er sogar nach Thüringen und erwarb dort die große Grafschaft Hohenstein, die bis vor kurzem reichsunmittelbar gewesen war. Da er als Ordensritter dem Zölibat unterlag, hinterließ er alles seinem Bruder Johann Cyprian, der Castelfondo verließ, und seinen Neffen, die aber im weiteren Verlauf des Krieges, 1642, die Grafschaft Hohenstein wieder räumen mussten. Die böhmischen Besitzungen indes blieben der Familie bis 1945 erhalten und wurden durch Erbschaften und Zukäufe vermehrt.

Mit ihm gemeinsam wurden am 24. August 1629 in den Reichsgrafenstand mit Hoch- und Wohlgeboren erhoben die Brüder:

 
Kardinal Guidobald von Thun und Hohenstein (1616–1668), Fürsterzbischof von Salzburg

Erstmals 1654 wurde ein Thun Reichsfürst: Guidobald von Thun und Hohenstein (1616–1668) aus Castelfondo als Fürsterzbischof von Salzburg; 1662 wurde er von Kaiser Leopold I. zum Prinzipalkommissar auf dem Immerwährenden Reichstag in Regensburg ernannt, und 1667 wurde er Kardinal.

Die Familie übte entscheidenden Einfluss auf die Geschichte Welschtirols aus. In ihrem Stammland, dem Hochstift Trient, stellte sie bald darauf ebenfalls vier regierende Fürstbischöfe (aus der Linie Castell Thun):

Im 17. und 18. Jahrhundert konsolidierten die Tiroler Linien der Familie Thun die Macht und den Reichtum ihres Hauses. Die zahlreiche Nachkommenschaft der Linie Castell Brughier gründete weitere Zweige: die sog. zweite und letzte Linie von Castell Caldes, die Linie Croviana und die Linie Castelfondo. Unter den vielen Persönlichkeiten, die im politischen, militärischen und kirchlichen Bereich hochrangige Positionen erreichten, sei nur Emanuel Maria Graf von Thun und Hohenstein aus der Linie Castell Brughier genannt, der in der schwierigen Zeit 1800–1818 in Trient das zuletzt nur mehr kirchliche Amt des Bischofs bekleidete.

Böhmen und Mähren

Johann Cyprian ging nach Böhmen, wo er die böhmische Linie der Familie Thun gründete. Diese spaltete sich wiederum in die drei Majorate Klösterle/Klášterec nad Ohří (erworben 1621), Choltitz/Choltice (erworben um 1621, mit Pětipsy seit 1629) und Tetschen/Děčín (erworben Mitte des 17. Jahrhunderts), mit dem bereits 1629 erworbenen Jílové u Děčína (Eulau), sowie den Zweig Benatek-Ronsberg (ab 1. Hälfte 19. Jh., zuletzt Kinsky) auf.

Die böhmische Linie stellte vier Bischöfe von Passau, die zugleich als Fürstbischöfe das reichsunmittelbare Hochstift Passau regierten:

Mit dem Adelsaufhebungsgesetz im April 1919 verloren alle österreichischen Familien ihre Adelstitel und Adelsattribute, sodass seither für alle österreichischen Staatsbürger dieser Familie ihr amtlicher Name mit Thun-Hohenstein festgelegt ist. Die Tridentiner und Südtiroler Zweige behielten ihren Adelstitel im Königreich Italien offiziell bis 1946, die deutschen führen ihn als Namensbestandteil bis heute fort.

Die Besitzungen in Böhmen und Mähren (ab 1918 in der Tschechoslowakei) gingen durch die Enteignungen im Zuge der Beneš-Dekrete 1946 verloren, die Familienangehörigen wurden vertrieben.

Das Stammwappen zeigt in Blau einen goldenen Schrägrechtsbalken. Auf dem Helm mit blau-goldenen Decken zwei blaue Büffelhörner, belegt mit einem goldenen Schrägrechts- bzw. Schräglinksbalken.

Der gelegentlich zu sehende rot- weiß/silber-rot gestreifte Herzschild stammt von den 1464 durch die Thun beerbten Herren von Caldes aus Caldes (Trentino) und wurde von der entsprechenden Linie geführt und auch ins Grafenwappen übernommen.

Bekannte Namensträger

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Christoph Simon von Thun (1582–1635) aus Castel Brughier; Obersthofmeister und Vertrauter von Ferdinand III., Erwerber der böhmischen Güter (Klösterle, Tetschen u. a.) und der Grafschaft Hohenstein, 1604 Freiherr, 1629 Reichsgraf.

Literatur

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  • August Anton Legis-Glückselig: Denkwürdigkeiten des Grafenhauses Thun–Hohenstein. Festgabe zu dem achtzigsten Geburtstage Seiner Exzellenz des Hochgebohrnen Herrn Herrn Franz Grafen von Thun–Hohenstein, Druck Ignaz A., 1866. (Digitalisat).
  • Carl Ausserer: Der Adel des Nonsberges. Sein Verhältnis zu den Bischöfen und zu den Landesfürsten, seine Schlösser, Burgen und Edelsitze, seine Organisation, Freiheiten und Rechte. Die „Nobili rurali“. In: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft „Adler“. Neue Folge – Neunter Band, Selbstverlag, Wien 1899, S. 43–61 (Digitalisat).
  • Edmund Langer: Die Anfänge der Geschichte der Familie Thun. (Sonderabdruck aus dem Jahrbuch „Adler“ 1904). Karl Gerolds Sohn, Wien 1904 (Digitalisat).
  • Edmund Langer: Die Geschichte der Familie Thun im XIV. Jahrhundert. In: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft „Adler“. Neue Folge – Fünfzehnter Band, Selbstverlag, Wien 1905, S. 63–196 (Digitalisat).
  • Genealogisches Handbuch des Adels Band XIV, Band 131 der Gesamtreihe GHdA, C. A. Starke Verlag, Limburg an der Lahn 2003, S. 429–432. ISSN 0435-2408
  • Hans-Peter Hye: Thun, Freiherren von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 220 (Digitalisat).
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Commons: Thun und Hohenstein – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Weitere bedeutende Familien im Nonstal des Mittelalters waren die Grafen von Pflaum (Flavon) und die Herren (späteren Freiherren und Grafen) von Spaur auf Castel Sporo in Sporminore und Castel Valer in Tassullo; Letztere sind dort ebenfalls bis heute ansässig.
  2. siehe von Thun und Hohenstein und von Thun und Hohenstein.
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