ADB:Hohenhausen, Elise Freifrau von

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Artikel „Hohenhausen, Elise Philippine Amalie Freifrau v.“ von Ernst Kelchner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 673–674, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hohenhausen,_Elise_Freifrau_von&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 06:15 Uhr UTC)
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Hohenhausen: Elise Philippine Amalie Freifrau v. H., Schriftstellerin, war die Tochter des Generals Adam Ludwig v. Ochs, der als Divisionsgeneral mit den westfälischen Truppen in Spanien und Rußland kämpfte, dann Chef des kurhessischen Generalstabes wurde, sowie auch als Militärschriftsteller einen Namen von gutem Klang hatte. Er starb am 21. Octbr. 1823. Sie wurde am 4. Novbr. 1789 zu Waldau, einem Dorfe bei Kassel, geboren. Hier verbrachte sie ihre früheste Kinderzeit mit ihrer Mutter, während ihr Vater im Felde war, bei ihren Großeltern. Durch diese Einsamkeit und Entfernung vom Umgang mit Kindern gleichen Alters, bildete sich ein wehmüthiger und ernster Sinn, sowie innige Freude an der Natur und großer Hang zum Bücherlesen aus. Ihre Mutter, deren Sinn mehr dem Praktischen zuneigte, suchte diese Neigung zu unterdrücken, indem sie ihrer Tochter alle Bücher wegnahm und ihr nur die Bibel ließ, welche sie dann mit großer Freude las. Glücklich war sie, wenn ihr gestattet wurde, in das Bibliothekszimmer ihres Großvaters zu gehen, wo sie sich dann für das Versäumte gründlich entschädigte. Die Balladen Stolberg’s und Bürger’s lernte sie fast alle auswendig, wie denn überhaupt Gedichte ihr über alles Andere gingen. Als der Großvater starb, zog sie mit ihren Eltern nach Kassel, an welchem Orte ihre Erziehung rasch fortschritt. Schon im zehnten Lebensjahre schrieb sie ihr erstes Gedicht. Als sie in ihrem fünfzehnten Jahre bei einem fürstlichen Maskenfeste die Venus Urania darzustellen hatte und sich in griechischer Kleidung im Spiegel beschaute, erwachte aufs neue ihre Phantasie und ihr Genius. Aber eine starke Erkältung, die sie sich bei diesem Feste zuzog, bereitete ihr dreijährige Leiden; doch dichtete sie in besseren [674] Stunden zu ihrer Erheiterung. Freilich blieben diese poetischen Versuche für jetzt noch in ihrer Brieftasche verborgen, bis später ihr Gatte sie hervorzog. Im J. 1809 vermählte sich Elise mit dem Freiherrn Leopold von Hohenhausen, damaligem westfälischen Unterpräfecten zu Eschwege und selbst Schriftsteller von einiger Bedeutung; lebte zuerst in Kassel, dann nach Aufhebung des Königreichs Westfalen zu Münster und seit 1817 zu Preußisch-Minden, wohin ihr Gatte als preußischer Regierungsrath versetzt wurde. Im J. 1820 finden wir das Ehepaar in Berlin, wo sie sich bald in die litterarischen Kreise der Hauptstadt einbürgerten und namentlich Elise Ansehen genoß. Sie gehörte zu den Ersten, welche das Talent des jungen Heinrich Heine erkannten und stand im engen Verkehr mit Varnhagen von Ense, Rahel, Uechtritz etc. Nachdem ihr Gatte vergeblich bei dem Ministerium um eine Anstellung in Berlin petitionirt hatte, begab er sich auf seinen Posten nach Minden zurück. Hier hatte er mit Nicolaus Meyer das „Mindener Sonntagsblatt“ (1817–34) gegründet, an dem außer seiner Gattin und anderen heimischen Talenten auch Heine, Immermann und Freiligrath sich betheiligten. Elise H. widmete sich in Minden hauptsächlich der Erziehung ihrer Kinder, mußte aber den Schmerz erleben, daß ihr Sohn Karl, der in Bonn studirte, sich 1834 in seinem 18. Jahre aus Weltschmerz und innerer Zerrüttung durch einen Pistolenschuß das Leben nahm. Ihre Tochter Sophie starb als Frau v. Düring im Jahre 1841. Bei ihrer zweiten Tochter Elise, welche den Oberregierungsrath Ritter v. Rüdiger geheirathet hatte, lebte sie seit dem Tode ihres Gatten (1848) erst in Minden, dann in Frankfurt a/O., wo sie auch am 2. Decbr. 1857 starb. Nach dem Tode ihres Sohnes wandte sie sich immer mehr einer religiösen Richtung zu, welche in der Schrift: „Rousseau, Goethe und Byron, ein kritisch-litterarischer Umriß aus ethisch-christlichem Standpunkte“, 1847, und Anderem deutlich zu Tage trat. Großes Aufsehen machte die unter Benutzung der Tagebücher ihres Sohnes verfaßte Schrift: „Karl v. H., Untergang eines Jünglings von 18 Jahren. Zur Beherzigung für Eltern, Erzieher, Lehrer und Aerzte“, 1837. Auch die Schriften: „Die Jungfrau und ihre Zukunft in unserer Zeit“, 1854, und „Lies mich in deinen Leiden und ich werde dich trösten“, 1855, lassen ihre krankhaft religiöse Richtung stark hervortreten. Außer einer ganzen Reihe von Schriften verschiedener Art, hat sie Beiträge geliefert zu vielen Zeitschriften, in das „Morgenblatt“, „Zeitung für die elegante Welt“, „Gubitz’ Gesellschafter“, „Abendzeitung“, „Westfälischer Anzeiger“, „Grote’s münstersche Taschenbuch“ etc. Es sei noch erwähnt, daß Jacobsen’s treffliche „Briefe an eine deutsche Edelfrau über die neuesten englischen Dichter“, 1820, an Elise v. H. gerichtet waren. Von ihren zahlreichen Schriften seien hier hervorgehoben: „Frühlingsblumen. Gedichte“, 1817, „Natur, Kunst und Leben. Reiseerinnerungen“, 1820, „Novellen“, 1829, 2 Bde., „Bilder aus dem Leben“, 1833, „Johann und Cornelius de Witt. Historisches Schauspiel“, 1847, „Die Marquesasinseln“ (Jugendschrift), 1853, ferner eine ganze Reihe von Uebersetzungen aus dem Englischen von Byron, Young etc.

Vgl. Raßmann, Nachrichten von münsterländischen Schriftstellern (Münster 1866), S. 153 u. 154. Schindel, Deutsche Schriftstellerinnen, I. S. 216 ff. u. III. S. 167 ff. Brümmer, Deutsches Dichterlexikon, I. S. 378. Unsere Zeit, 1857, I. S. 787. Meusel, Das gelehrte Teutschland, Bd. XVIII. S. 196. Strieder’s Hessische Gelehrten- u. Schriftsteller-Gesch., Bd. XVIII. S. 424. Friedr. Raßmann, Pantheon, S. 146 u. 404. Friedr. Raßmann, Münsterländisches Schriftstellerlexikon, 2. Nachtrag, S. 57, 3. Nachtrag, S. 33 u. 156, 4. Nachtrag, S. 127. Goedeke, Grundriß, III. S. 1045.
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