BLKÖ:Habsburg, Leopold Wilhelm

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Habsburg, Leopold
Band: 6 (1860), ab Seite: 444. (Quelle)
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175. Leopold Wilhelm, Erzherzog von Oesterreich, Statthalter der Niederlande (geb. 6. Jänner 1614, gest. 20. November 1662)[BN 1]. Als nachgeborner Prinz der Kirche gewidmet, blieb er, der Sitte der Zeiten gemäß, dem Waffenhandwerke nicht nur nicht fremd, sondern brachte den größeren Theil seines Lebens im Kampfe, insbesondere gegen das übermüthige Frankreich, zu, und dürfte es überhaupt wenige Feldherren geben, die so oft geschlagen und die so oft gewonnen und wieder verloren haben wie er. Schon im Jahre 1625 war er Bischof von Straßburg und Passau – damals zählte er 11 Jahre – 1626 Bischof zu Halberstadt und 1628 Bischof zu Olmütz und Deutschmeister. Im Jahre 1639 übernahm er den Oberbefehl über die Armee in den letzten Jahren des dreißigjährigen Krieges, zu einer Zeit, als es sehr bedenklich war, denselben zu übernehmen. Chlumez, Königgrätz, Smirsiz, Königshofen, Trautenau und andere von den Schweden besetzte Städte nahm er wieder ein und drängte die Schweden, die sich in Thüringen mit französischen, hessischen und lüneburgischen Truppen verstärkt [445] hatten, nach Ober- und Niedersachsen bis an die Weser. Der Feind zog sich nun, 1641, nach Regensburg zurück und nahm seine Winterquartiere in der Oberpfalz; da überfiel ihn der Erzherzog, der zwischen Ingolstadt und Regensburg, am andern Ufer der Donau, vom Feinde unbemerkt, seine Truppen zu sammeln verstanden, mit solcher Schnelligkeit, daß der Feind über Cham und durch den Böhmerwald nur mit vieler Gefahr und genauer Noth entkam und kaum die Lausitz erreichen konnte. Drei Cavallerie-Regimenter mußten sich sogar ergeben. Im Feldzuge des folgenden Jahres, 1642, wurde das Schwedenheer aus Schlesien vertrieben, Brieg entsetzt, und Torstenson durch die Lausitz nach Meissen verfolgt. Hier kam es zu der blutigen Schlacht von Leipzig, in welcher die Kaiserlichen das Feld verloren, nachdem anfangs der linke Flügel der Schweden bereits zum Weichen gebracht worden war. Leopold Wilhelm bot Alles auf, um seine Truppen zum Stehen zu bringen; keine Gefahr persönlich scheuend, verschwendete er Bitten, Ermahnungen und Drohungen, jedoch war Alles vergebens; aber strenge ahndete er auch den Ungehorsam der feigen Truppen: die Fahnen eines Regiments, welches zuerst die Flucht ergriff, ließ er vom Scharfrichter verbrennen, die Degen der Officiere zerbrechen und aus den Regimentsstücken Galgennägel schneiden. Die Officiere und vom Gemeinen abwärts jeder zehnte Mann wurden mit dem Strange bestraft und die Uebrigen für Schelme erklärt. Der Erzherzog verließ auch sofort die Armee. Erst als diese in Kürze ihre besten Führer verloren hatte, übernahm er 1645 wieder den Oberbefehl. Nun entsetzte er Brünn und zog sich nach Franken, wo er die Franzosen alsbald nöthigte, die von ihnen besetzten Plätze zu räumen. Im Jahre 1646 übertrug ihm König Philipp IV. von Spanien die Statthalterschaft der Niederlande. Hier war er nun zehn Jahre hindurch im beständigen Kampfe gegen Frankreich begriffen. Er nahm den Franzosen Armentieres, Lens, Landrecy und Courtray ab (1647), verlor aber nach dem unglücklichen Treffen bei Lens (1648) Ypern und mehrere andere feste Plätze. Später eroberte er Ypern wieder zurück, nahm La Chapelle und St. Venant und erhielt während der inneren Unruhen Frankreichs von den Mißvergnügten noch Stenay, Guise und Chastelet; auch drang er in die Champagne ein, brachte Rhetel Mousson, Winoxbergen, Mordyk, Grävelingen, Dünkirchen und Rocroy (1650–1653) zur Uebergabe; die 1654 begonnene Belagerung der Festung Arras mußte er aber aufgeben. Alsbald legte er nun, nachdem sich die Verhältnisse im Lande immer mißlicher gestalteten und er in seinen Unternehmungen immer weniger glücklich war, die Statthalterschaft nieder und kehrte nach Wien zurück, wo die Verwaltung seiner Bisthümer, des deutschen Ordens und die Familienangelegenheiten des kaiserlichen Hauses ihn zunächst beschäftigten. Nach dem Tode Ferdinand’s III. brachten ihn mehrere Churfürsten in Vorschlag zur Kaiserwürde. Indem er die auf ihn entfallende Wahl nicht ablehnen zu wollen schien, hatte er doch keine andere Absicht dabei, als Zeit zu gewinnen, damit sein Neffe das in der goldenen Bulle vorgeschriebene Alter erreiche, und in der That nach Ferdinand’s III., am 2. April 1657 erfolgten Tode, bestieg Leopold I. am 22. Juli 1658, im Alter von 18 Jahren, den deutschen Kaiserthron. Nachdem sich Leopold Wilhelm fortan den Staatsgeschäften [446] hingegeben, zog er sich in seinen letzten Jahren von denselben zurück und lebte ausschließlich der Liebe zur Kunst. Von dem unglücklichen Karl I. von England hatte er die Gemäldesammlung angekauft. Mit dieser Sammlung nebst anderen Gemälden legte er so zu sagen den Grund zur heutigen kaiserlichen Bildergallerie im Belvedere. Leopold Wilhelm starb im kräftigsten Mannesalter, erst 48 Jahre alt. Mit unverkennbaren militärischen Talenten und seltenem persönlichen Muthe ausgestattet, hatte Leopold Wilhelm viel von der Ungunst des Glücke zu leiden und war während der im Grunde enggesteckten Frist seines Lebens, die letzten Jahre ausgenommen, in beständigem Kampfe begriffen.

Avancini (Nicolò), Leopoldi Guglielmi archiducis Austriae, principis pace et bello inclyti virtutes et gesta (Antw. 1665, 4°.); in’s Französische übersetzt von Henri Bex (Lille 1667, 4°.). – Lancellotus (Lucas), Cento virgilianus, rerum a Leopoldo Guilelmo in Belgio gerendarum praeludium (s. l. 1648, 4°.). – Thaten und Charakterzüge berühmter österreichischer Feldherren (Wien 1808, Degen, 8°) Bd. I, S. 249. – Allgemeines historisches Lexikon (Leipzig 1731, Thom. Fritschens Erben, Fol.) Bd. III, S. 154, – Memoires de Anne Marie Louise de Montpensier. Tom. 2, pag. 52. – Histoire du Prince du Conde. – Wagner (Franz), Historia Leopoldi M. Caesaris Augusti (Aug. Vindelic. 1719, Fol.). – Porträte. 1) P. Aubry exc. (8°.); – 2) F. Bouttats sc. (8°.); – 3) A. van den Heuvele p., C. Galle sc. (Fol.); – 4) R. Gaywood fec. 1656 (8°.), radirt; – 5) P. de Jode sc., M. v. d. Emden exc. (kl. 4°.), Halbfigur; – 6) P. de Jode exc. 1647 (8°.), Halbfigur; – 7) A. v. Hulle p., P. de Jode sc. (Fol.); – 8) P. de Jode sc. (4°.), im Profil: – 9) M. Küsell sc. (Fol.); – 10) D. Teniers p., P. v. Lisebetten sc. (Fol.), Gürtelbild; – 11) B. Moncornet exc. (8°.); – 12) J. van den Hoecke p., L. Vorstermann fec. (Fol.), Hüftbild; – 13) J. Waldtreich sc. (Fol.).

Berichtigungen und Nachträge

  1. Bd. VI, S. 444, Sp. 2, Biographie von Leopold Wilhelm (Nr. 175), Zeile 4, soll nach „November 1662“ folgen: Sohn des Kaisers Ferdinand II. aus dessen erster Ehe mit Maria Anna von Bayern. [Band 7, S. 414]
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