BLKÖ:Reuß, das Fürstenhaus, Genealogie

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Reuter, Jacob
Band: 25 (1873), ab Seite: 360. (Quelle)
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Zur Genealogie des Fürstenhauses Reuß. Es gab bis zum Jahre 1848 mehrere Linien des Hauses Reuß, die sich nach den einzelnen Herrschaften und Fürstenthümern Gera, Lobenstein, Ebersdorf, Saalburg, Schleiz u. s. w. nannten. Alle diese Herrschaften und Fürstenthümer sind seit dem genannten Jahre zu einem einzgen Lande, dem Fürstenthume Reuß jüngerer Linie, vereinigt, daher alle Benennungen Reuß-Köstritz, Reuß-Schleiz, Reuß-Greiz u. s. w. unrichtig sind. Bis auf Schleiz sind alle anderen Häuser nach und nach ausgestorben, das Haus Schleiz ist das allein noch regierende, daher auch nur irrthümlich noch die Bezeichnung: „Fürst Reuß-Schleiz“ gebraucht wird, während es richtig nur „Fürst Reuß j. L.“ heißen sollte. Das Paragiat Köstritz gehört gleichfalls zur jüngeren Linie und ist ursprünglich ein Nebenzweig des Hauses Schleiz, aber niemals souverän gewesen. Die Glieder des Hauses Köstritz werden zum Unterschiede vom regierenden Haupthause nicht Reuß j. L, sondern [361] Reuß-Köstritz genannt. Von ihnen lebt nur Eins in Köstritz, gegenwärtig der Paragiatsinhaber Heinrich LXIX., Fürst Reuß-Köstritz, alle übrigen befinden sich auf auswärtigen Besitzungen oder in preußischen Diensten. Die allein richtige Bezeichnung für die beiden jetztregierenden Fürsten Reuß ist demnach: Heinrich XIV. Fürst Reuß j. L. und Heinrich XXII. Fürst Reuß ä. L. Unrichtig ist ferner das Wort „von“ in Verbindung mit dem Namen Reuß. Es wird in der auswärtigen Presse fast regelmäßig, aber immer mit Unrecht gebraucht. Der Name Reuß ist von Anfang an Familienname des Hauses, niemals aber der einer Besitzung gewesen, wie dieß bei anderen adeligen Stammnamen der Fall ist, und wo dann die Vorsetzung des „von“ auch vollkommen gerechtfertigt ist. Bei dem Namen Reuß ist dieß entgegengesetzt, indem hier das Land seinen Namen erst nach dem Familiennamen seiner Besitzer erhalten hat. Nach ihm erst wurde es das Land der Reußen oder das Reußenland genannt. Hienach ergibt sich das „von“ von selbst als Unding. Die Weglassung desselben hält auswärts nur deßhalb so schwer, weil alle anderen deutschen Fürstenhäuser es führen, und zwar sämmtlich richtig, indem kein zweites einen ursprünglichen Familiennamen führt, sondern alle entweder von einer Stammbesitzung oder von einem bereits bestehenden Volksnamen abgeleitet sind. Der Name Reuß selbst aber stammt aus dem Ende des 13. Jahrhunderts von Heinrich dem Jüngeren, Voigt und Herrn zu Plauen in Ronneburg, der im Jahre 1298 lebte. Dessen Vater war mit Maria, einer Tochter Brzetislaus’ IV. von Böhmen und Maria’s gebornen Fürstin von Rußland, vermält. Von den Söhnen hieß nun der ältere nach der Großmutter: der Reuß, der jüngere nach der Mutter: der Böhme. Da dieser ohne Kinder starb, verpflanzte Jener sein Geschlecht und den Zunamen Reuß, der seitdem fortan von der Familie geführt wurde, fort. Das Reußenhaus hat bezüglich seiner Namensverhältnisse auch außerdem zwei Eigenthümlichkeiten, die man auswärts nur nach ihrer Existenz, aber ihrer Bedeutung und ihrem Ursprunge nach so gut wie gar nicht kennt. Es ist dieß der Taufname Heinrich, den seit etwa 700 Jahren ohne Ausnahme alle männlichen Nachkommen des Hauses führen, und ferner die seit den letzten Jahrhunderten angefügte, mitunter ungewöhnlich hohe Namenszahl. Der Name Heinrich stammt aus dem deutschen Kaiserhause zur Zeit der Kaiser Heinrich IV., V. und VI., mit denen die Vorfahren der Reußen sehr nahe verwandt und von jenen mit hohen Staats- und Ehrenämtern betraut waren. In Folge großer Anhänglichkeit an die genannten Kaiser wurde durch besondere Feststellung der Name Heinrich für alle Zeiten im Reußenhause eingeführt. Die Namenszahl kam erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts hinzu. Bis dahin hatte man die einzelnen Familienglieder durch Beifügung von Eigenschaftswörtern, wie z. B. der Aeltere, der Mittlere, der Jüngere, der Lange, der Kleine u. s. w. zu unterscheiden gewußt. Heinrich Posthumus (1572 bis 1635) kam mit diesen Beinamen, weil er zehn Söhne hatte, nicht aus und führte die Namenszahl ein. Die ältere Linie folgte der jüngeren später darin nach, zählt aber heute noch für sich und zwar so, daß sie der ersten Zahl ohne Unterbrechung folgt und so bis jetzt 23 erreicht hat (Heinrich XXIII., jüngerer Bruder des regierenden Fürsten Reuß ä. L. starb 1861), während die jüngere Linie schon nach den ersten Zehn wieder von Eins anfing und dieß später stets mit Beginn[WS 1] des neuen Jahrhunderts wiederholte. Im 17. Jahrhundert erreichte, die Namenszahl noch 29, im 18. Jahrhundert aber 75, im gegenwärtigen hat dieselbe sich bis auf 30 erhoben. Durch dieses Wiederneubeginnen kommt es oft vor, daß der Vater eine höhere Namenszahl trägt, als der Sohn; so hat denn z. B. der Sohn des Prinzen Heinrich LXXIV. (geb. 1. November 1798) aus erster Ehe die Namenszahl IX. (geb. 3. März 1827) und jener aus zweiter Ehe die Namenszahl Heinrich XXV. (geb. 27. August 1856), und der jetztregierende Fürst Reuß j. L. (geb. am 28. Mai 1832) ist Heinrich XIV., während sein Vater Heinrich LXVII. (geb. 20. October 1789, gest. 11. Juli 1867) war; der Sohn des regierenden Fürsten Heinrich XIV. ist aber Erbprinz Heinrich XXVII. – Obgleich das Fürstenhaus Reuß in früheren Tagen vorherrschend zu Sachsen und Preußen in näherer Beziehung gestanden und zu letzterem jetzt noch steht – denn im Augenblicke stehen acht Fürsten und Prinzen Reuß in preußischen Staats- und Militärdiensten – so erscheinen doch mehrere Fürsten Reuß in österreichischen Diensten und trugen noch im laufenden Jahrhunderte nicht weniger denn fünf österreichische Cavallerie- und Infanterie-Regimenter [362] den Namen der Fürsten und Prinzen Reuß, und zwar das Infanterie-Regiment Nr. 17, dessen Inhaber im Jahre 1673 Heinrich Graf Reuß-Plauen, k. Oberst, und von 1801 bis 1826 Heinrich XV. Fürst Reuß-Plauen, kais. Feldmarschall, war; dann das Infanterie-Regiment Nr. 18, dessen Inhaber Heinrich XIII. Fürst Reuß-Greiz, kais. Feldzeugmeister, war, welcher früher (von 1803 bis 1809) das 1809 reducirte Infanterie-Regiment Nr. 55 hatte; und das Huszaren-Regiment Nr. 7, das von 1836 bis 1857 den Namen Heinrich’s LXIV. Reuß-Köstritz, Feldzeugmeister, führte. Von älteren Fürsten Reuß, die zu Oesterreich in näherer Beziehung stehen, sind anzuführen: Heinrich V., Burggraf zu Meißen (geb. 24. August 1508, gest. 19. Mai 1544), unter Kaiser Karl V. geheimer Rath und oberster Kanzler in Böhmen, der mit Margaretha, einer Tochter des Nikolaus Grafen Salm, vermält war. Wegen seines Antheils an dem damaligen Religionskriege verlor er aber die meisten Lande in Böhmen, im Erzgebirge und im Voigtlande, wo die Fürsten Reuß vordem reichbegütert waren; – Heinrich der Aeltere von der Ober-Greizischen Linie (geb. 3. Mai 1627, gest. 8. März 1681) war kaiserl. Rath, General-Wachtmeister und Oberster und ein tapferer Degen; – Heinrich VI. Graf zu Plauen (geb. 7. August 1649, gest. 1697), chursächsischer General-Feldmarschall, kämpfte als solcher im kaiserlichen Heere in Ungarn gegen die Türken, that sich in der Schlacht bei Zenta im Jahre 1697 durch seine Tapferkeit hervor, erlag aber auch den daselbst erhaltenen Wunden bei Szegedin am 11. (21.) October; – Heinrich IV. von der Unter-Greizischen Linie (geb. 19. April 1645, gest. 12. Februar 1698) diente, nachdem er früher holländischer Oberst gewesen, in der kaiserlichen Armee als General-Wachtmeister; – Heinrich IV. von der Unter-Greizischen Linie (geb. 14. Februar 1702, gest. im November 1738) war kaiserl. Oberst des rheingräflichen Regiments, als welcher er zu Wien starb; – Heinrich, genannt Posthumus (geb. 10. Juni 1572, gest. 3. December 1635), bekleidete unter den Kaisern Rudolph II., Mathias und Ferdinand II. die Stelle eines kais. Rathes und wurde zu verschiedenen kaiserlichen Legationen und Verhandlungen verwendet. Von ihm rührt auch das S. 361 in der Genealogie erwähnte Statut wegen der in der Familie zu beobachtenden Namenszählung her. Von zwei anderen Fürsten Reuß, u. z. Heinrich LXIV. Reuß-Köstritz und Heinrich XV. Reuß-Plauen, sind schon oben S. 357 u. 358 die ausführlicheren Lebensskizzen mitgetheilt worden. – Noch ist Einiges über den Zuwachs an Würden im Hause Reuß anzuführen. Der Ursprung des Hauses reicht aus Urkunden nachweisbar in die Zeiten Karl’s des Großen zurück und erscheint ein Eckebrecht Graf zu Osterode, der um 9350 unter den Kaisern Otto I., II. und III. gedient, als der Stammvater des Geschlechtes. Aus seiner Ehe mit Jornande, Tochter Aribas’ Grafen zu Gleißberg und Schwarzenberg, hatte er einen Sohn Heinrich I.; dieser ist der Erste, der sich Voigt genannt auf welchen Titel die Reuß solches Gewicht legten, daß die Reuß Herren von Plauen den Grafentitel fahren ließen und jenen eines Volgtes vorzogen. Heinrich III., genannt der Reiche, Kaiser Friedrich’s I. Hofmarschall, des h. röm. Reiches Voigt, Besitzer und Beschirmer des ganzen Voigtlandes, legte allen aus seiner Ehe mit Bertha gebornen Herzogin von Kärnthen gebornen vier Söhnen den Namen Heinrich bei, der seither bei dem Hause blieb, und theilte sein Land unter dieselben derart, daß der Erste Voigt zu Weyda, der Andere Voigt zu Plauen, der Dritte Voigt zu Greiz und der Vierte Voigt zu Gera sich nannten. Da sie sich dabei von „Gottes Gnaden“ schrieben und den Rang vor den Grafen beanspruchten, so entstanden im 17. Jahrhunderte auf der Grafenbank des deutschen Reiches Streitigkeiten; man ging so weit, obgleich schon ein Heinrich Reuß, der im Jahre 1426 des h. röm. Reiches Hofrichter gewesen, von Kaiser Sigismund in den Reichsfürstenstand erhoben worden, die Grafenwürde der Reuß in Zweifel zu ziehen. Es verlangten demnach im Jahre 1673 alle damals lebenden Sproßen des Hauses Reuß die Erneuerung der Grafenwürde, welche ihnen denn auch mit kaiserl. Patent vom 26. August 1673 gegeben wurde, in Folge desselben waren sie „im ganzen römischen Reiche für recht geborene Grafen zu halten, ihnen der Titel und Namen dero Reußen, Grafen und Herren zu Plauen, Herren zu Gräitz (Greiz), Kranichfeld, Gera, Schleiz, Lobenstein u. s. w. zu geben, und solle sie Jedermann also nennen und schreiben“. Nur das Churhaus Sachsen, welches Plauen [363] besitzt, gab den Reußen den gräflichen Titel nicht. Wie schon bemerkt worden, sind alle älteren Linien bis auf Schleiz erloschen; die Linie Weyda erlosch 1532 mit Voigt Heinrich dem Mittleren; die Linie Gera 1550 mit Heinrich dem Jüngeren, dessen Erbe an Heinrich IV., Voigt von Plauen, überging; die ältere Linie Reuß-Plauen erlosch 1572 mit Heinrich VII., die mittlere Linie Ober-Greiz erlosch 1646 mit Heinrich dem Mittleren. Die Primogenitur erlangte mit Heinrich XLIII. im Jahre 1806 die Reichsfürstenwürde; die mittlere Linie mit Heinrich LXIV., der im Jahre 1817, und der jüngere Zweig mit Heinrich II., der am 30. Juni 1851 die Fürstenwürde annahm. – Das Wappen der Reuß ist ein schwarz und silbern quergetheiltes Feld; im schwarzen Felde ein goldener Löwe (das Reußische Geschlechtswappen) und im silbernen Felde ein goldener Kranich (Wappen der Herrschaft Kranichfeld).

Quellen zur Geschichte des Hauser Reuß. Die von Heinrich XIII. älterer Linie Reuß, Grafen und Herrn von Plauen (geb. 29. September 1672, gest. 11. April 1733), verfaßte „Genealogie der Grafen und Herren von Plauen“ (Nürnberg 1715). – Limmer (Karl August), Entwurf einer urkundlichen Geschichte des gesammten Voigtlandes. Vier Bände (Gera 1825–1828, 8°.). – Derselbe, Philosophisch-historische Deduction des Ursprunges des hochfürstlichen Namens Reuß (Gera 1824, 8°.). – Kurze Geschichte des Hauses Reuß (Ronneburg 1829, 8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Beginnn.
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