BLKÖ:Rothschild, James Maier Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 27 (1874), ab Seite: 126. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Jakob Rothschild in der Wikipedia
Jakob Rothschild in Wikidata
GND-Eintrag: 116641762, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Rothschild, James Maier Freiherr von|27|126|}}

8. James Maier Freiherr v. Rothschild (geb. zu Frankfurt a. M. 15. Mai 1792, gest. zu Paris 15. November 1868). Der jüngste von Maier Anselm’s Söhnen; seit 1812 der Vertreter seines Hauses in Paris und seit 1822 General-Consul der österreichischen Regierung daselbst, der, da das dortige Leben es verlangte, den Conservatismus, in dem seine Brüder groß waren und es blieben, äußerlich abstreifte, um ihn moralisch um so entschiedener zur Geltung zu bringen. James, seit 1822 Freiherr von Rothschild, entfaltete in seinem Hause in der rue de Lafitte Nr. 40 – das man seiner prächtigen, im Renaissancestyl ausgeführten Bauart wegen „ein Versailles der absoluten Geldherrschaft“ nannte – eine Pracht, welche [127] jene der ersten Familien des reichen französischen Adels weit überbot. Unter dem Bürgerthum gingen die großen Anlehen vom Jahre 1830 zu 80 Millionen, vom Jahre 1831 zu 120 Millionen und vom Jahre 1832 zu 150 Millionen, spätere noch zu höheren Summen durch seine Hände, und wenn auch der Herzog von Orleans dem Geldfürsten gegenüber eine unbeugsame Sprödigkeit bewies, so ließ sich nach dessen plötzlichem Tode der Herzog von Nemours mehr von dem Gebote der Klugheit leiten und spannte die Saiten tief herab, als Rothschild den Notabilitäten der legitimistischen Partei ein glänzendes Fest um das andere zu geben begann. Ein Bündniß des Königs der Börse mit der Partei der älteren Linie war denn doch zu bedenklich, und der zu den prachtvollen Festen in Chantily im Jahre 1841 nicht zugelassene Freiherr James fand in den Salons des Herzogs von Nemours die zuvorkommendste Aufnahme. Das in der Gegenwart in Wien bei finanziellen Unternehmungen durchgeführte System der Betheilungen der Presse und auch anderer Personen, deren Einfluß in die Wagschale fällt, woraus bei dem Mißbrauche der Gründungen später natürlich eine Corruption der öffentlichen Meinung und eine Unterminirung des sittlichen Haltes ganzer Körperschaften und ihrer Führer entsprang, datirt nicht etwa von heute, sondern ist schon volle dreißig Jahre alt und stammt aus der Zeit, als Rothschild im Jahre 1840 den Bau der französischen Nordbahn übernahm, welcher in einer Geschichte des europäischen Finanzwesens unter allen Umständen ein gar merkwürdiges Blatt ausfüllen wird. Die Idee, daß der Staat den Bau der Eisenbahn übernehme, wurde fallen gelassen und durch die ungeheuerlichsten Bemühungen des Hauses Rothschild war es diesem gelungen, die ganze Angelegenheit in seine Hände zu bekommen. Um aber diesen Zweck zu erreichen, mußten Parlament und Presse mundtodt gemacht werden. Es wurden 300.000 Actien à 500 Francs ausgegeben, wovon die Mitglieder beider Kammern 15.000, was einem Geschenke von sechs Millionen gleichkommt, und die Redacteure der einflußreichsten Blätter je nach ihrer Bedeutenheit 70, 100, 150 Actien erhielten. Nur der „National“ hatte die angebotenen 100 Stück Actien, also 40.000 Frcs. Prämie, zurückgewiesen und ließ die Keuschheit seiner Opposition durch keine Summe beflecken. Die ganze Angelegenheit wäre wohl auch trotz der Opposition des „National“ im Sande verlaufen, wenn nicht der durch den schlechten Bau veranlaßte Unglücksfall bei dem Dorfe Fampour die Presse aufgeschreckt und einen förmlichen Sturm von Flugschriften heraufbeschworen hätte. Es war nämlich infolge des schlechten Unterbaues der Bahn am 8. Juli 1846 ein Zug in der Nähe von Arras bei dem Dorfe Fampour in einen Teich gestürzt, wobei 37 Personen todt geblieben und eine große Anzahl mehr oder weniger verwundet waren. Die darüber angestellte Untersuchung blieb zwar resultatlos, aber der „National“ sprach sein verdammendes Verdict und in Libellen setzte sich der Krieg gegen das Haus Rothschild das Jahr über fort Der berühmte Redner Cormenin veröffentlichte mit seinem „Ordre du jour“ eine vehemente, vornehmlich gegen das Bankhaus gerichtete Philippika; ein Anonymus, der sich später als Georges Dairnwoell entpuppte, schrieb: „Histoire édifiante et curieuse de Rothschild I. Roi de Juifs“ par Satan, welche im folgenden Jahre in Berlin in deutscher Uebersetzung erschien; dann folgten: „Rothschild I. ses valets et son peuple“; – Mesnard (Jean Bapt.), Dix jours de règne de Rothschild I., roi des Juifs, ou notes pour servir à l’histoire de la fondation de la Monarchie de ce souverain (Paris 1846, 8°.). Die „Histoire édifiante“ fand einen so ungeheuren Absatz, daß innerhalb zwei Monaten 16 Auflagen in 50.000 Exemplaren verkauft wurden. Aber auch James blieb die Antwort auf diese Angriffe nicht schuldig; es erschienen, durch ihn veranlaßt: „Réponse de Rothschild I., roi des Juifs a Satan dernier, roi des Imposteurs“; – „Un Juif au peuple français“; – „Dix jours de Règne de Rothschild“ u. m. a. Aber wie Allee, so ging auch dieser Sturm vorüber und Rothschild und sein Haus erhoben sich in ungebeugter Macht. Während um ihn das demokratische Element sich immer mehr und mehr entwickelte und Frankreich sich einbildete, ein demokratisches Kaiserreich, wie es jetzt wieder sich einbildet, eine Republik zu sein, ließ Rothschild sich nicht irre machen, und nachdem Napoleon III. den Perire’schen und Mires’schen Schwindel großgezogen, um dessen Fall zu erleben, behauptete Rothschild ungebrochen seine Macht und Napoleon III. reichte dem Geldfürsten auf seinem Schlosse Ferrières die Hand zum Frieden. Das Haus Rothschild [128] stand nun in noch strahlenderem Glanze. Oesterreich gegenüber stand James v. Rothschild als ein politisch-finanzielles Telegraphenzeichen da. Die Börse schätzte in James den anerkannten Freund Oesterreichs und den conservativen Geldmann, von dem eine Beunruhigung der Börse sicher nie zu befürchten war. Daher bezeugte auch die Wiener Börse ihre Theilnahme an dem Tode Rothschild‘s durch ein Fallen der Course, ungeachtet die Hausse, die nachher eintrat, in der Luft lag. Der durch James begründete Reichthum des Pariser Hauses ist unermeßlich. Bereits im Jahre 1848 veröffentlichte das Pariser Journal „Reform“ eine Art Vermögensstatistik von Paris, welche folgende Angaben enthält: „Die Häuser Lafitte und Delamarre wurden jedes zu 10 Millionen Frcs. geschätzt, Baudon zu 12, Rougemont und Lafond zu 15, Durand, Delessert, Aquirevengon und Halphen jedes zu 20, Hottinger und Pelleprat jedes zu 25, Fould zu 30, Hoop zu 40, der Baron Gressulhe zu 100, Rothschild zu 600 Millionen Francs. Darnach besaß Rothschild um 238 Millionen Francs mehr, als das 362 Millionen bildende Gesammtvermögen der vorgenannten Banquiers ausmachte. Nur der König Ludwig Philipp, den man auf 800 Millionen anschlug, war reicher, hingegen verschwanden der Herzog von Aumale und Madame Adelaide mit ihren je 70 und der Herzog von Montpensier mit seinen 20 Millionen gegen den Crösus James Freiherrn von Rothschild. Was den Baron James, über den die pikantesten Züge und Lebensmomente berichtet werden – die unten angefügten Quellen geben ein reiches Materiale zu einem interessanten und charakteristischen Lebensbilde desselben – persönlich betrifft, so schildert ihn Gutzkow mit wenigen Worten: „James in Paris ist Pariser, d. h. ein Charakter, worüber hundert und ein Schriftsteller nachdenken könnten, ohne ihn doch in zwölf Großoctavbänden gründlich erschöpft zu haben“. Bei Gelegenheit der Pariser Weltausstellung zeichnete Kaiser Franz Joseph den Baron James mit dem Orden der eisernen Krone aus. Baron James war mit seiner eigenen Nichte Betti, der Tochter des Freiherrn Salomon R., seines Bruders, vermält und stammen aus dieser Ehe mehrere Kinder, welche aus der Stammtafel ersichtlich sind. Freiherr James von R. war Großkreuz des Ordens der Ehrenlegion. Bei der ersten französischen Anleihe im Jahre 1823 hatte er das einfache Kreuz und bei den späteren Anleihen immer einen höheren Grad erhalten. Er liegt auf dem Friedhofe Père Lachaise im Erbbegräbniß seiner Familie unweit der Ruhestätte der Rachel beigesetzt. Seit 1855 war er Senior der Familie. [Il Corriere israelitico. Periodico mensile (Trieste, Colombo Coen, gr. 8°.) Anna IV (1866), No. 10, p. 323: „II barone James de Rothschild di Parigi. Schizzo biografico di Albert Cohn (Uebersetzung eines deutschen, von J. Michelstädter verfaßten Nekrologes). – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1868, Nr. 321: „Ein Tag aus dem Leben Rothschild’s“; Nr. 322, in den „Wiener Plaudereien“ (Züge aus R.’s Leben); 1870, Nr. 162, in der Beilage (Zug aus R.’s Leben). – Das Haus Rothschild. Seine Geschichte und seine Geschäfte (Prag und Leipzig 1857, Kober, 8°.) S. 259–320: „Das Haus Rothschild in Paris“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Fol.) 1863, Nr. 1036, S. 320, u. 1868, Nr. 1329, S. 448: „James Rothschild“. – Innsbrucker Nachrichten (Localblatt) 1868, Nr. 273, S. 2592: „Rothschildiana“. – Morgenpost (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 318, im Feuilleton: „Aus dem Leben zweier Todten“ (einer derselben ist Rothschild, der andere Rossini); Nr. 321, im Feuilleton: „Das Leichenbegängniß von James Rothschild“. – Neue Europa 1845, Nr. vom 29. September, S. 232: „Die Dotation des Sohnes eines Bankiers und die eines Prinzen“. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 1514, im Abendblatt: „James Rothschild“; Nr. 1516: „James Freih. v. R.“; Nr. 1518, im Abendblatt: „R.’s Leichenfeier“; Nr. 1520: „Von James Rothschild“; Nr. 1523: „Pariser Finanzwache“ [enthält viele Details über James R.); Nr. 1544: „Aus dem Testamente des Baron James R.“; – 1870, Nr. 2029: „Rothschild’s Dank für ein Almosen“; – 1872, Nr. 2848: „Baron James Rothschild“. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1867, Nr. 303: „Verleihung des Großkreuzes (!) der eisernen Krone an James Rothschild“; 1868, Nr. 316, in den „Tagesnotizen“; 1872, Nr. 201 (Zug aus dem Leben des Barons. Aus dem Pariser Blatte „Evénement“, in welchem Leo Léspès (Timothée Trimm) deren mehrere erzählt); Nr. 208 (aus dem Leben des Barons James R.). [129]Neues Wiener Tagblatt 1868, Nr. vom 21. November: „Rothschild’s Hinterlassenschaft“. – Oesterreichische Gartenlaube (Gratz, 4°.) IV. Jahrg. (1869) (zur Charakteristik Rothschild’s). – Oesterreichische Zeitung (Wien) 1856, Nr. 416, im Feuilleton: „James Rothschild“ (zahllose Male nachgedruckt; zuerst in der Leipziger[WS 1] Novellen-Zeitung). – Der Osten (Wiener Parteiblatt, 4°.) 1868, Nr. 46: „James Rothschild“. – Pappe, Lesefrüchte (Hamburg, 8°.) 1845, Bd. I, S. 411: „Das Hotel der Madame Rothschild zu Paris“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1856, Nr. 188: „Die drei Pariser Börsenmatadore“; Nr. 293: „Rothschild bei Baroche“; 1865, Nr. 50, in der Kleinen Chronik: „Curiosa“; 1868, Nr. 316: „James Rothschild“; Nr. 320: „Baron J. Rothschild“; 1876, Nr. 267: „Das Rothschild’sche Schloß Ferrières“. – Rheinische Blätter für Unterhaltung u. s. w. Beiblatt zum Mainzer Journal (4°.) 1856, Nr. 6: „Zur Beurtheilung eines Börsenfürsten“; Nr. 98 u. 99: „Eine Stunde auf der Pariser Börse“; 1858, Nr. 99: „Ein schlechtes Geschäft Rothschild’s“. – Schlesische Zeitung 1858, Nr. 497, in der Rubrik: „Vermischtes“. – Siebenbürger Bote 1858, Nr. 213 u. 214: „Ein Antiquitäten-Lieferant des Herrn von Rothschild“. – Temesvárer Zeitung 1863, Nr. 162, im Feuilleton: „Rothschild und Pereire“; Nr. 164, im Feuilleton: „Der Koch Rothschild’s“ (es ist der berühmte Koch Carnet von James Rothschild in Paris). – Allgemeine Theater-Zeitung. Herausg. von Ad. Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1853, Nr. 38: „Warum James v. Rothschild in Paris keine Bälle mehr gibt?“ – Ueber Land und Meer (Stuttgart, Hallberger, kl. Fol.) XXI. Bd. (1868/69), Nr. 13. – Unsere Zeit (Brockhaus, Lex. 8°.) 1868, Nr. 2. – Wiener Mittheilungen u. s. w., herausg. von Max Letteris, 1856, Nr. 40 u. f. „Baron James Rothschild“. – Die Zeit (Berliner polit. Blatt) 1855, Nr. 250: „James Rothschild und Horace Vernet“. – Ueberdieß enthalten mehrere in Paris erscheinende, auf Speculation gegründete biographische Sammelwerke Lebensskizzen über James Rothschild, so z. B. das Sammelwerk: „La Rénommée“, der „Biographe universel“, „Les Notabilités“, die „Annales Contemporaines“. Die darin enthaltenen Angaben sind als Autobiographien, d. i. als von den Betheiligten selbst oder doch in ihrem Auftrage verfaßte Lebensskizzen zu betrachten, und daher nur wegen der Zeitangaben ziemlich zuverlässig, sonst aber nur mit Vorsicht zu benützen. – Porträte. 1) Holzschnitt mit der Unterschrift: „Baron Jacob (James) von Rothschild. Chef des Hauses Gebrüder von Rothschild zu Paris“, S. 571 des Werkes von Franz Otto: „Das Buch berühmter Kaufleute oder der Kaufmann zu allen Zeiten“ (Leipzig und Berlin, zweiter u. verm. Abdruck 1870, Otto Spamer, gr. 8°.); – 2) Holzschnitt mit der Unterschrift: „Baron James von Rothschild, † am 15. November“. Nach einer Zeichnung von H. S. auf S. 448 der Illustrirten Zeitung, 51. Bd., Nr. 1329.]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Leiziger.
  NODES
iOS 1
mac 5
Note 1
OOP 1
os 12
text 2
web 1