CCCXVII. Der Haupttempel des Genesa in Benares Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band (1840) von Joseph Meyer
CCCXVIII. Ofen und Pesth
CCCXIX. Das Königshaus in Ghazipore
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OFEN & PESTH

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CCCXVIII. Ofen und Pesth.




Selbstliebe, Verlangen nach Wohlgenuß, Nothwendigkeit, oder Herrengebot sind die einfachen und mächtigen Hebel, welche die Nationen aus dem wilden, barbarischen Zustande in den der Gesittung versetzen. Auch die Ungarn, das jüngste unter den Völkern Europa’s, die von den Hochebenen Mittelasiens herabkamen in die weiten Niederungen der Donau, um eine neue Heimath zu suchen, danken den Wechselwirkungen jener Triebfebern, daß sie fortgerissen wurden in das Culturstreben der westlichen Völker, und ihre socialen Zustände allmählich sich änderten und verfeinerten. Hand in Hand damit ging die Umwandelung in der äußern Physiognomie des Landes. Im Laufe der Zeit hat sich Ungarn aus einer dünnbevölkerten steppen- und morastreichen Niederung zu einem der gesegnetsten Länder erhoben, für dessen Ueberfluß nur Märkte zu schaffen sind, um es zu einem der reichsten des Erdbodens zu machen, und der Ungarn kriegerisches, kräftiges Volk, das früher zu dem civilisirten Europa kaum irgend eine weitere Beziehung hatte, als der westliche Grenzwächter gegen den Andrang der Türken und Slaven zu seyn, eilt so rasch vorwärts auf der europ. Rennbahn der Bildung, als sey es ihm darum zu thun, noch einzuholen, was es versäumt hat. Obschon nur erst der geringste Theil des geistigen Lebens in Ungarn sich in Sprache und Literatur abspiegelt, so sind beide, denen man noch vor wenigen Jahrzehnten im Literaturstaat das Bürgerrecht verweigerte, doch schon zu hohen Ehren gekommen, und ungarische Dichter und Gelehrte empfingen die Huldigungen Europa’s. Ungarischer Unternehmungsgeist auch, durch vaterländischen Sinn veredelt, bleibt vor dem keines Volkes zurück; er erschreckt nicht vor den großen Forderungen der Zeit und zeigt der Aufgabe, die diese stellt, sich gewachsen. Er trocknet die ungeheuren Sümpfe zu Weiden und Feldern aus, macht die Donau zur großen Straße zwischen Europa und dem Oriente, baut Canäle und Eisenbahnen und sucht für die Produkte des Landes Absatzquellen in den entlegensten Ländern.

Die Fortschritte Ungarns auf der Bahn der Civilisation sind verhältnismäßig sehr jung und wurden erst seit der Befreiung von dem Joche der Türken, vor kaum anderthalb Jahrhunderten, groß. Vor der türkischen Eroberung ging Ungarns Kraft im ewigen Kampfe gegen den kriegerischen Fanatismus des Halbmonds auf, und als die Ungarn, keinen Zoll des Landes ohne Vertheidigung lassend, endlich unterlagen, da war, und so lange die schwere Türkenhand auf ihnen [110] lag, eine geistige Erhebung ohnehin nicht möglich; Osman’s barbarische Horden duldeten ja im eroberten Christenlande von jeher blos Sklaven. Auch in Ungarn blieben die beiden Völker, das erobernde und das überwundene, zwei durchaus entgegengesetzte, feindselige Kasten, die keinerlei Interessen mit einander gemein hatten. Der Ungar war Knecht, der Türke Tyrann; jene als Eigenthum, dieser als Eigenthümer geboren. Daß im türkischen Ungarn die Unterdrücker weit weniger zahlreich waren, als in den übrigen europäisch-türkischen Provinzen, war für das Land keine Wohlthat; denn was jenen an Zahl abging, suchte die türkische Politik durch die Kunst der Unterdrückung zu ersetzen. Damit die große Zahl der möglich kleinsten willig gehorche, machte man nämlich die Gesetze grausam, nahm man den Ueberwundenen das Recht des Eigenthums; umgab man sie, mitten im Ueberfluß, mit Entbehrungen. Barbarisch wurden dadurch die Sitten, die Felder wurden verlassen, die Aecker lagen brach, das Land entvölkerte sich, und Verzweiflung und Muthlosigkeit würden aus dem schönen Ungarn eine Wüste geschaffen haben, wie die nämlichen Ursachen in andern Theilen des Türkenreichs thaten, hätte die Herrschaft des Halbmonds länger gedauert. Nachdem aber der türkische Crescens anderthalb Jahrhunderte auf Ofend alter Königsburg geglänzt und über drei Viertheile des Landes unumschränkt geherrscht hatte, (von 1540 bis 1686), während welcher Zeit das an der deutschen Grenze gelegene Preßburg als Hauptstadt des übrigen noch unbezwungenen Theiles des Landes galt, erlosch der Halbmond für immer im Ungarlande, es wuchs das Bewußtseyn eigner Kraft und das Reich kam empor. – Ungarn ist übrigens erst ein Jüngling. Während so viele alternde Völker in Europa keine Zukunft haben, haben die Ungarn sie noch vor sich.


Pest, mit Ofen, ist Ungarns Herz und Hauptstadt; der Hauptsitz des Handels, der Bildung und Gelehrsamkeit des ganzen Reichs.

Pesth ist neu. Zur Zeit der Türkenherrschaft war es ein bloßer Flecken, zu dessem Entstehen die Fähre über die Donau von Ofen herüber die Veranlassung gegeben. Ofen und Pesth zusammen genommen hatten 1796 36,000 Einwohner; gegenwärtig zählt Pesth allein über 60,000. Von Jahr zu Jahr wird es durch Hunderte von neuen Häusern vergrößert, und man mag es ohne Uebertreibung zu den blühendsten und prachtvollsten Städten des östlichen Europa’s zählen. Das malerisch gegenüber liegende Ofen (Buda), die alte Hauptstadt, [111] welche nicht ganz 28,000 Einwohner zählt, erscheint neben ihrer jüngern Schwester als deren Acropolis. Die Rollen der beiden Orte haben gewechselt. So geht’s den Menschen und Völkern.

Groß und herrlich ist der Anblick von Pesth’s Stromseite. In einer Länge von einer halben Stunde streckt sich eine Reihe palastähnlicher Wohnungen an den Kayen hin. Da herrscht ein Leben, wie man’s nur in großen Seestädten erwartet. Hunderte von Fahrzeugen liegen im Strome, theils mit Holz beladen, von dem am Oberende der Stadt ungeheure Stöße aufgeschichtet stehen, theils mit Gütern aller Art. Ueberall ist ein Treiben und Drängen der Ein- und Ausladenden, und man hört in vielerlei Zungen reden. Zwischen den größeren Schiffen sieht man die Kähne der Landleute rudern, die Gemüse und andere Früchte, hoch aufgethürmt, zu Markte führen. Am buntesten ist das geschäftige Leben zu beiden Seiten der Ofener Brücke, sowohl auf dem Flusse selbst, als auf den Aus- und Einladeplätzen am Ufer; zumal wenn gerade Dampfschiffe anlanden und abgehen, welche die Verbindung zwischen Wien und Galatzsch unterhalten. Nicht selten führt ein Wiener Dampfboot 500 Passagiere. Kanonenschüsse verkündigen sowohl Ankunft als Abfahrt. Beim ersten Knall entsteht nach dem außer der Zeit stillen Punkte, ein Laufen, Rennen und Fahren, als gelte es einer allgemeinen Flucht. Lastträger drängen sich, Karren rasseln, Lohnkutschen rollen, – alles eilt herbei, mit dem Bestreben, der Erste zu seyn; und der Menge entgegen strömen aus allen Thüren des angekommenen Leviathans über die im Nu geschlagene Brücke die Reisenden, schreiend nach Trägern, welche ihre Habseligkeiten fortbringen sollen, oder Fiaker anrufend, oder in die Arme ihrer Angehörigen stürzend, welche am Ufer harren. Nach einer gewühlvollen halben Stunde ist alles wieder still, das Ungeheuer liegt friedlich zwischen den andern Schiffen, seine Masten sind geleert und speien weder Rauch noch Dampf mehr. Weiter unterhalb der Brücke ist der tägliche Frucht- Gemüse- und Geflügelmarkt. Die Mitte desselben nimmt die dichte Wagenburg der Bauern ein, und auf allen Seiten derselben sind ihre Waaren zu Pyramiden aufgeschichtet, um welche sich ein dichter, bunter Kranz kaufender Köchinnen und Hausfrauen drängt. Noch weiter stromabwärts ist der Fischmarkt, nicht mit keifenden, häßlichen Poissards wie an der Seine, sondern mit freundlichen, meistens blühenden Verkäuferinnen. Den Schlußstein des Pesther Donaustrandes macht der Salzmarkt, nach welchem sich die langen Züge kleiner, kurzer Wagen bewegen, welche das Steinsalz von Szolnok hierher zur Haupt-Niederlage des Landes führen. Auf diesen Marktplätzen hört man überall verschiedene Sprachen; bald Deutsch, bald Ungarisch, bald Slavonisch; Letzteres am häufigsten. Wo das Gewühl der Menschen am dichtesten ist, da haben Kleinhändler ihre Wandel-Buden aufgeschlagen, preist ein Jude mit dem Quersack seine Waaren an, und dann und wann spielt ein Leiermann auf, oder läßt der Policinell der Pesther, ein Zigeuner, grellfarbige Marionetten auf einem Kasten tanzen. Die Heiterkeit des Bildes wird selten durch eine Unordnung gestört, und der impertinente Anblick des Polizeistocks beleidigt hier nicht. Das ehrt die Regierung und es ehrt zugleich das Volk, das jenen entbehrlich macht.

[112] Der Donaustrand mit seinen prachtvollen Gebäuden ist stets der schönste Theil der Hauptstadt; er ist zugleich derjenige, welcher der furchtbaren Verwüstung durch die Ueberschwemmung im Frühjahr 1837 am besten widerstanden hat. In den Stadttheilen landeinwärts sind die Spuren jener schaudervollen Katastrophe noch nicht ganz verwischt. Die schönen, festen Gebäude der Hauptstraßen und Märkte, des Bazars etc., wo die Gegenstände der Kunst und des Luxus in prächtig aufgeputzten Läden das Auge blenden, litten auch, vergleichsweise, wenig; aber weiterhin und in den Vorstädten (der Franzstadt, wo von 529 Häusern 438 einstürzten; in der Josephstadt, wo von 1255 Häusern 891 gänzlich zerstört wurden, und in der Theresienstadt, wo von 1381 nur 166 unbeschädigt blieben), muß noch immer viel gebaut werden, um alle Merkmale der Verwüstung zu entfernen. Doch wird das neue Pesth viel schöner, und wo sonst kleine, niedrige, gebrechliche Häuschen standen, steigen große, stattliche Gebäude empor.

Pesth, als Hauptsitz des Handels, der Gelehrsamkeit und der Bildung Ungarns, hat eine Menge höherer Lehranstalten und wissenschaftlicher Vereine. Die Universität mit vielen berühmten Lehrern, früher in Ofen, seit 1786 hier, wird von 1000 bis 1500 Studenten besucht und ist mit den Hülfsmitteln zur Erleichterung der Studien reichlich ausgestattet: mit einer kostbaren Bibliothek von 70,000 Bänden; mit Sternwarte, anatom. Theater, phys. und chemischen Laboratorien; naturhistorischen, artistischen und antiquarischen Sammlungen und einem großen botan. Garten. Mit der Universität ist eine Thierarzneischule und das theologische Institut verbunden. Das Gymnasium, das frequenteste Ungarns, zählt 800–900 Schüler. Von großem Einfluß auf die Bildung der höhern Stände ist das National-Museum, vom patriotischen Grafen Szecsengi gegründet, welcher seine kostbare Bibliothek und alle seine Sammlungen dazu hergab und das durch fortwährende Schenkungen bereichert wird. Unter den 20 Kirchen, (katholische, protestantische und griechische) zeichnen sich einige durch Größe und Bauart aus; die Herrlichkeit der alten Münster darf man in Pesth freilich nicht suchen. Dagegen sind verschiedene Hospitäler, das Waisenhaus, das Invalidenhaus, das Universitätsgebäude, das große Theater (das 3000 Zuschauer fassen mag), das Casino, die große, für 18,000 Mann eingerichtete Caserne Josephs II. sehenswerth, theils als Muster des guten Baugeschmacks, theils wegen ihrer imponirenden Masse.

Die Glanzzeit des hiesigen Verkehrs ist während den beiden Hauptmärkten. Die wichtigsten Geschäfte geschehen vier bis fünf Tage vor der eigentlichen Marktzeit; ihr Betrag geht in Millionen. Dann finden sich die Edelleute und Gutsbesitzer aus ganz Ungarn hier zusammen, man begegnet einkaufenden Fremden aus den entferntesten Ländern, und Pesth trägt die Physiognomie einer Weltstadt, gleichsam in Vorbedeutung ihrer künftigen Größe.

Das Leben im Allgemeinen ist in Pesth voller Genuß, und jener Reisende, der die Stadt das Paradies der Schlemmer nannte, hat ihr kaum zu viel gethan. Die Menge müßiger und reicher Menschen, welche hier dem Vergnügen [113] ausschließlich leben, ist sehr groß und vermehrt sich mit jedem Jahr in dem Verhältniß, als der Geschmack des ungar. Adels an dem Leben in der Hauptstadt zunimmt. Daher die Menge prachtvoll eingerichteter Hotels, in deren eleganten Salons man zu jeder Tageszeit zahlreiche Gesellschaft findet. Die Kaffeehäuser haben Säle, deren Wände mit Marmor und kostbaren Spiegeln ausgelegt sind und in denen fünf bis sechs Billards stehen. Nachmittags um drei Uhr schon sind diese Lieblingsorte der Pesther meistens gedrängt voll, und erst um Mitternacht wird es lichter und einsamer. Die Gäste sind da nicht die einzige Gesellschaft. Juden und Hausirer kommen auch hierher und bieten ihre Waaren an, Zigeuner zeigen sich als Virtuosen auf der Violine und dem Hackbret, Harfenmädchen singen ungezogene Lieder und eine kecke Gauklerin macht sich Raum in der Mitte des Saals, breitet ihren Teppich aus, wirft das Oberkleid ab, und steht im Tricot da mit den Kleinen, welche ihre Kunst unterstützen. In der schönen Jahrzeit strömt, zumal Sonntags, Alles hinaus in’s Freie, doch, weniger um spaziren zu gehen, als um bald in einer grünen Laube oder unter schattigen Bäumen an einen gedeckten Tisch zu kommen, welches Bedürfniß die vielen, meistens sehr anmuthig gelegenen und angelegten Wirthsgärten reichlich befriedigen. – Die Vergnügungen der höhern und höchsten Stände sind in Pesth denen in andern Hauptstädten gleich, nur mit einem tüchtigern Anstrich von Sinnlichkeit, als im kältern Norden. Berichte über Thees, tanzende, singende, gähnende und glänzende Soirees, deren Ende von jedem Anwesenden herbei gewünscht wird, während sich alles entzückt stellt, sind langweilig, selbst, wenn sie auch geistreich und leicht wie aus Pücklerscher Feder fließen. Genug, der vornehme Ungar läßt in der Hauptstadt seinem Hang zur Verschwendung vollen Lauf, und er weiß Glanz mit Pracht zu paaren.

Werfen wir noch einen Blick auf Pesth als Handelsplatz. Der in reißender Progression zunehmende Productenreichthum des Landes, welcher auf der großen, natürlichen Fruchtbarkeit als auf fester Basis ruht; die stete Vermehrung der Communicationsmittel; die wichtige merkantilische Stellung, welche Ungarn, seitdem die Donau dem Weltverkehre wieder geöffnet ist, erhalten hat, und viele andere günstige Umstände lassen für Keinen, der die Fortschritte Pesths seit ein paar Jahrzehnten beobachtet hat, einen Zweifel übrig, daß es bald in die vorderste Reihe der Plätze für den Weltverkehr treten muß. Tirnau und Waizen und einige andere Orte haben zwar stark besuchte Märkte, und in Szegedin sehen sich Millionen um; aber nur Pesth hat die höhere Bedeutung als Vereinigungspunkt des ganzen ungarischen Handels mit Landeserzeugnissen. Die meisten der zur Ausfuhr bestimmten Produkte werden auf den großen Gütern in kaum glaublichen Massen gewonnen, welche, in die Speicher der Hauptstadt niedergelegt, da die Käufer erwarten. Man sieht in Ungarn z. B. Schafheerden von 10–40,000 Stück. Der jährliche Ertrag veredelter Wolle übersteigt jetzt 300,000 Zentner, was allein einen Werth von 30 Millionen Gulden ergibt. Dies ungeheure Geschäft geht durch Pesther Hände; eben so das mit Wachs, Honig, Wein etc., von welchen Waaren hier immer große Vorräthe lagern. Ganz eigenthümliche Verhältnisse kommen dabei dem Pesther Handelsstande sehr zu [114] statten und geben die Produzenten in seine Hand. Vom reichsten Magnaten an bis auf den kleinsten Grundherrn herab sind nämlich in allen Abstufungen eine Menge Individuen, die sich in steter Geldverlegenheit befinden, und sich um jeden Preis Geld verschaffen müssen. Das gewöhnliche Verfahren ist, an den Pesther Commissionär, Großhändler ober Bankier Verkäufe von Producten auf mehre Jahre hinaus, zu niedrigen Preisen, zu machen und einen Theil des Belaufs als Vorschüsse zu empfangen, die überdieß hoch verzins’t werden, und selten hat ein solcher Gutsbesitzer Energie genug, sich jemals wieder von seinem Pesther zu befreien. So ist es denn leicht erklärlich, wie unternehmende Geschäftsleute, die über Capitale zu verfügen haben, große Reichthümer in Pesth sammeln und sich zum Besitze von Millionen emporschwingen können.

Das Pesth gegenüber auf dem rechten Donauufer romantisch um das alte königliche Felsenschloß (jetzt die Residenz des Palatins, des Reichsverwesers,) gelegene Ofen ist unregelmäßig gebaut, der Sitz der obersten Reichsbehörden, Festung und der Aufenthalt der höhern Beamtenwelt, so wie der Generalitat. Ofen hieß in den ältesten Zeiten Sicambri, nach der Colonie, die Rom unter Antonin dem Frommen aus sicambrischen Ansiedlern hier gründete. Noch sieht man von der alten Römerstadt die Ueberreste einer Wasserleitung. Attila machte Ofen zum Waffenplatz und gab ihr den Namen Buda; der deutsche Name Ofen kam im sechsten Jahrhundert auf. Ungarns Könige wählten sie zur Residenz, und sie blieb die Hauptstadt bis 1540, als Soliman der Große den größten Theil Ungarns zum türkischen Reiche schlug. Ofen ward Sitz eines Paschas, bis 1686, der Epoche der Befreiung vom Türkenjoch.

Erst Joseph II. gab Ofen seine Rechte wieder, setzte das Palatinat ein, und ließ die geflüchteten Reichsinsignien wieder herbringen. Sie sind im königl. Palaste in einem Reliquienkasten verwahrt. Weniger glücklich war die berühmte Bibliothek, welche Matthias Corvinus, der zu dem Zwecke in Italien und Griechenland allein 300 Abschreiber viele Jahre lang beschäftigte, gründete. Er hatte so im Ofener Schloß 40,000 Manuscripte zusammen gebracht, außer den schönsten, kostbarsten Erstlingserzeugnissen der Buchdruckerkunst, deren Erfindung in seine Zeit fiel. Die Türken verbrannten nach der Einnahme Ofens diesen Schatz, wie sie einst mit der alexandrinischen Bibliothek gethan hatten. In beiden Fällen war der Verlust für die Wissenschaften unersetzlich. Die einzigen Ueberbleibsel jener Bibliothek sind halb verbrannte und zerrissene Fragmente, die noch gezeigt werden.

Ofen ist ein Kurort. Die heißen Bäder waren schon von den Römern gekannt und benutzt. Matthias Corvinus erhob sie von neuem aus ihrem Schutt, ließ sie reinigen und fassen; Glanz aber erhielten sie erst unter Stambuls Gewalt wieder. Religion und Sitte der Türken gaben Anlaß, zum Schmuck der Thermen prächtige Gebäude aufzuführen, und mehre Derwischklöster sorgten für die Pflege der bedürftigen, hierherkommenden Kranken. [115] Obschon seitdem eine Menge Kurorte in Ungarn entstanden, so haben die Ofener Quellen doch ihren Ruf stets behauptet. Die vorzüglichsten sind: Das Kaiserbad, das heißeste, von 54° Reaumur; das Blocksbad, Reitzenbad, Königsbad und Bruckbad von 37–38° Reaumur. Alle sind gelind wirkende Schwefelwasser. Während der angenehmen Jahreszeit, vorzüglich an Sonn- und Feiertagen, strömt ein großer Theil der fashionablen Welt beider Städte in das Kaiserbad, dessen parkähnliche Anlagen dann jenes bunte Bild von Nationen und Ständen bieten, welches den großen Handelsstädten Ungarns eigenthümlich ist, und in dem neben den schönen, orientalischen Zügen der Magyaren die ausdrucksvollen, beweglichen der Israeliten am meisten hervorstechen. Man nimmt ein Bad, einige Gläser von der Trinkquelle, einfach oder mit Milch vermischt, horcht der herrlichen Militair-Musik zu und macht dann eine Promenade in die mit Wald und Felsen, Weingärten und Feldern im bunten Wechsel besetzten Berge hinter Ofen, wo jeder Gipfel imposante ober anmuthige Fernsichten über beide Städte und ihre Umgebungen gewährt; oder läßt den Blick über das Pesther Häusermeer in die Ebene irren, die nur der Horizont abzugrenzen scheint, und Gefühle, wie beim Anblick des Oceans, hervorruft.



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