Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wurde 1905 gegründet und nahm 1907 ihre Tätigkeit auf. Die meisten anderen europäischen Staaten hatten im Verlauf des 19. Jahrhunderts eigene nationale Zentralbanken errichtet oder bestehende private Banken in solche umgewandelt: Frankreich 1800 (Banque de France), Österreich 1816 (Privilegierte Österreichische Notenbank), Deutschland 1875 (Reichsbank), Italien 1893 (Banca d'Italia). Zusammen mit den USA, die erst 1913 das Federal Reserve System schuf, war die Schweiz einer der letzten Industriestaaten, der eine nationale Zentralbank schuf.
Rechtsgrundlagen
Das Nationalbankgesetz von 1905 wurde 1921, 1953 und 2003 total revidiert. Laut der neuen Bundesverfassung (BV) von 1999 hat die SNB eine "Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes" zu führen. An erster Stelle wird die "Preisstabilität", an zweiter eine konjunkturpolitische Stabilisierungsfunktion genannt. Diesem Verfassungsauftrag sowie den aktuellen Tendenzen auf den Finanzmärkten und den weltweiten Währungsverhältnissen entsprechend besteht das Kerngeschäft der SNB in der Liquiditätsversorgung des Geldmarkts für Schweizer Franken, in der Gewährleistung der Bargeldversorgung, im Sichern und Erleichtern bargeldloser Zahlungssysteme, in der Verwaltung der Währungsreserven und in einem Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems.
Explizit wird im Gesetz von 2003 die Unabhängigkeit der SNB konkretisiert. Als Gegenleistung erfüllt die SNB Rechenlegungs- und Informationspflichten mit dem Ziel, die Geldpolitik der Experten demokratisch zu legitimieren. Kraft ihrer Kompetenzen kann die SNB verschiedene Wirtschaftsakteure – meist Banken – zu einem geld- und stabilitätspolitisch wünschenswerten Verhalten zwingen. Was das möglichst reibungslose Funktionieren von Zahlungs- und Wertpapierhandelssystem betrifft, so koordiniert die SNB ihre Interventionen mit der Eidgenössischen Bankenkommission. Letztere fusionierte 2009 mit dem Bundesamt für Privatversicherungen und der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei zur Finanzmarktaufsicht (Finma). Verschiedene Nebengesetze regeln die Rolle der SNB als Vollzugsorgan des Bundes in völkerrechtlichen Abkommen zur internationalen Währungszusammenarbeit. Wie bisher hat die SNB Währungsreserven zu bilden, die sie für ihre Aufgaben als notwendig erachtet. Die darüber hinaus erwirtschafteten Gewinne werden zu einem Drittel an den Bund, zu zwei Dritteln an die Kantone ausgeschüttet. Das neue Gesetz reduzierte die bisher sieben Organe der SNB auf deren vier: die Generalversammlung der Aktionäre (GV), den Bankrat, die Revisionskommission und das Direktorium.
Die schweizerische Zentralbank ist nicht ein staatseigenes Institut, sondern eine spezialrechtliche Aktiengesellschaft, deren Aktien an der Börse kotiert sind. Als öffentlich-rechtliche Institution unterliegt sie jedoch der Mitwirkung und Aufsicht des Bundes. Aktionäre werden nur Bürger, Unternehmen und staatliche Körperschaften aus der Schweiz. Der rechtlich-administrative Sitz der Bank ist Bern, der Sitz des Direktoriums, der obersten geschäftsführenden Behörde, Zürich. Die Zentralverwaltung ist auf Bern (ein Departement) und Zürich (zwei Departemente) verteilt.
Als Aufsichtsorgane der Aktiengesellschaft fungieren die GV (die Kantone, Kantonalbanken und weitere öffentlich-rechtliche Körperschaften verfügen über die Mehrheit) und der Bankrat (neu von 40 auf elf Mitglieder verkleinert). Der Bundesrat entscheidet über die Besetzung der Führungs- und Aufsichtsgremien und genehmigt die wichtigsten Berichte und Beschlüsse; die Bundesversammlung muss den Beschlüssen der GV bei Anpassungen des Grundkapitals der Bank zustimmen. Die politischen Instanzen verfügen jedoch nicht über ein Weisungsrecht gegenüber der SNB, sodass diese nicht in die Rolle des subalternen Bundesbankiers gerät.
Präsidenten des Direktoriums und des Bankrats der Schweizerischen Nationalbank
Präsident Direktorium | Amtsdaten | Präsident Bankrat | Amtsdaten |
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Heinrich Markus Kundert | 1907-1915 | Johann Daniel Hirter | 1906-1923 |
August Burckhardta | 1915-1924 | Paul Emil Usteri | 1923-1927 |
Gottlieb Bachmann | 1925-1939 | Alfred Sarasin | 1927-1935 |
Ernst Weber | 1939-1947 | Gustav Schaller | 1935-1939 |
Paul Victor Keller | 1947-1956 | Gottlieb Bachmann | 1939-1947 |
Walter Schwegler | 1956-1966 | Alfred Müller | 1947-1959 |
Edwin Stopper | 1966-1974 | Brenno Galli | 1959-1978 |
Fritz Leutwiler | 1974-1984 | Edmund Wyss | 1978-1986 |
Pierre Languetin | 1985-1988 | François Schaller | 1986-1989 |
Markus Lusser | 1988-1996 | Peter Gerber | 1989-1993 |
Hans Meyer | 1996-2000 | Jakob Schönenberger | 1993-1999 |
Jean-Pierre Roth | 2001-2009 | Eduard Belser | 1999-2002 |
Philipp Hildebrand | 2010-2011 | Hansueli Raggenbass | 2002-2012 |
Thomas Jordan | 2012- | Jean Studer | 2012-2019 |
Barbara Janom Steiner | 2019- |
a nach Tod Burckhardts vakant bis Mitte Juli 1925
Historische Entwicklung
Die Notwendigkeit eines zentralen Instituts, das geld-, kredit- und währungspolitische Aufgaben zu erfüllen imstande ist, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend erkannt. Der Bundesstaat schuf mit der Münzreform von 1850-1851 zwar eine einheitliche Frankenwährung, doch die münzpolitische Abhängigkeit vom Ausland blieb bestehen. Als Mitglied der Lateinischen Münzunion war die Schweiz ab 1865 faktisch eine Währungsprovinz Frankreichs; der Banque de France kam praktisch die Rolle einer Zentralbank zu. Unter diesen Bedingungen herrschte Unsicherheit. Unregelmässigkeiten bei der Geldversorgung spitzten sich immer wieder krisenhaft zu.
Die gravierende Geldkrise im Gefolge des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870-1871 förderte die Durchsetzung des Papiergeldes als Zahlungsmittel. Damit gewannen die Befürworter einer Zentralbank an Boden, die 1874 das Recht des Bundes erstritten, in diesem Bereich zu legiferieren. Anhaltende Probleme ("Silberdrainage" nach Frankreich) und mangelhafte Elastizität des Notenumlaufs bereiteten den Durchbruch vor: 1891 wurde das Notenmonopol im revidierten Artikel 39 BV verankert. 1897 scheiterte jedoch das vom Bundesrat lancierte Projekt einer "Schweizerischen Bundesbank" (einer Staatsbank) in der Referendumsabstimmung. Erst 1905 mündete der langwierige und konfliktreiche Gesetzgebungsprozess in eine Kompromisslösung ein, die unverkennbar die Handschrift der erstarkten Wirtschaftsverbände und insbesondere des Schweizerischen Handels- und Industrievereins trug.
Mit der Gründung der SNB wurde das bis dahin durch 36 "Zeddelbanken" wahrgenommene Notenemissionsrecht in einem einzigen Institut zentralisiert (Notenbanken). Das Gesetz wies der SNB das Monopol zur Notenausgabe zu und schrieb vor, dass die (inländische) Golddeckung mindestens 40% des Notenumlaufs betragen musste (Goldwährung); diese Bestimmung war Ausdruck einer konservativen Geschäftsmaxime und des Willens zur Hartwährung. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Noteneinlösungspflicht ausser Kraft gesetzt. Die SNB hatte den rasch expandierenden Geldbedarf des Bundes durch die Übernahme von (kurzfristigen) Schatzanweisungen zu decken; aufgrund der dominierenden Real-Bills-Doktrin wurde sie von der starken Inflation überrascht. Nachdem die Goldparität 1925 (faktisch) und 1929 (formell) wieder eingeführt worden war, wurde die Einlösungspflicht 1936 anlässlich der Abwertung um 30% des Schweizerfrankens erneut sistiert und durch das Bundesgesetz von 1953 gänzlich aufgehoben.
Während des Zweiten Weltkriegs übernahm die SNB von den Alliierten zum Transfer Goldbestände im Wert von 2,9 Mrd. Franken (wobei nur ca. ein Drittel effektive Finanzdienstleistungen darstellten) und von der Deutschen Reichsbank solche im Wert von 1,6 Mrd. Franken ("Nazi-Raubgold"), was mehr als drei Vierteln aller deutschen Auslandverkäufe entsprach. Die SNB missachtete die Warnung der Alliierten und hatte deshalb im Rahmen des Washingtoner Abkommens eine Abfindungssumme von 250 Mio. Franken an die drei westlichen Siegermächte zu leisten. Ab 1996 kam sie wegen des Geldtransfers international in die Schlagzeilen. In den Nachkriegsjahrzehnten wurde der Bedeutungsverlust der traditionellen Diskont- und Lombardpolitik kaum durch den Ausbau alternativer Instrumentarien (u.a. Offenmarktpolitik, Festsetzung von Mindestreserven für Privatbanken) kompensiert. Auch die (2003 abgeschafften) Emissions- und Kapitalverkehrskontrollen erwiesen sich nach dem Übergang zur Währungskonvertibilität 1958 als zunehmend unwirksam. Unter dem Regime fester Wechselkurse musste die SNB bis zu Beginn der 1970er Jahre unbeschränkt Devisen aufkaufen. Der ausländische Kapitalzufluss in die Schweiz alimentierte ein starkes, zusehends inflationär wirkendes Wachstum der Geldmenge.
Übergang zum Floating und aktuelle Problemfelder
Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems (Abkommen von Bretton Woods) und dem Übergang vom System fester Wechselkurse zum Floating 1973 erhielt auch die SNB ihre Aktionsfähigkeit im Bereich der Geld- und Währungspolitik vorerst zurück. Seit Mitte der 1970er Jahre machten sich vor allem zwei Probleme bemerkbar: Erstens verschärfte sich im Zeichen einer strukturellen Wirtschaftskrise der Zielkonflikt zwischen "Finanzplatz" und "Werkplatz" Schweiz. Aus den Unsicherheiten der Wirtschaftskrise Mitte der 1970er Jahre resultierte ein Höhenflug des Frankens, der die Internationalisierung schweizerischer Grossunternehmen förderte und umgekehrt die Absatzprobleme der einheimischen Exportindustrie verschärfte. Die SNB geriet damit in ein innenpolitisches Spannungsfeld, in dem vor allem die Gewerkschaften Kritik an ihrer Hartwährungspolitik übten. Ende der 1970er Jahre und erneut 2011 stoppten die Währungshüter den Aufwertungsdruck des Frankens durch die Festlegung einer Obergrenze gegenüber der Deutschen Mark bzw. dem Euro. Zweitens erwies sich der durch den Übergang zu flexiblen Wechselkursen erzielte Gewinn an nationalstaatlichem Handlungsspielraum als vorübergehend. Als Land mit einer offenen Volkswirtschaft konnte sich die Schweiz nicht von europäischen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen abschotten. Die Globalisierung der Finanzmärkte setzte einer "volkswirtschaftlich" ausgerichteten Zentralbankpolitik enge Grenzen. Der suprastaatliche Kooperationsbedarf wurde vor allem durch Finanzmarktkrisen erhöht. Seit 1992 teilen sich das Eidgenössische Finanzdepartement und die SNB die Verantwortung für die (damals erworbene) Mitgliedschaft der Schweiz bei den Institutionen von Bretton Woods. Durch die Schaffung einer europäischen Währungsunion hatte sich die SNB auf die Jahrtausendwende hin mit neuen geldpolitischen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Seit 2000 verfolgt sie ein neues geldpolitisches Konzept, das Preisstabilität mittels einer Inflationsprognose anstrebt.
In der neuen BV von 1999 wurden alle Bestimmungen, die einen Bezug des Frankens zum Gold herstellten (Münzfuss, Einlösungspflicht, Deckungssatz für Notenumlauf), ersatzlos gestrichen. Die Neubewertung der Aktivposten der SNB machte zwischen 2000 und 2005 den Verkauf der Hälfte der Goldbestände (1300 t) im Wert von rund 19 Mrd. Franken möglich. Nachdem dieses Sondervermögen zunächst für eine Stiftung solidarische Schweiz hätte Verwendung finden sollen, wurde es schliesslich im Zug einer heftigen politischen Debatte nach dem etablierten Gewinnschlüssel auf Bund und Kantone verteilt. Die Schweiz hat die Modernisierung der Währungspolitik und der Organisationsstruktur der SNB erfolgreich abgeschlossen. Die währungs- und geldpolitischen Herausforderungen, mit denen sich die SNB konfrontiert sieht, hängen weitgehend von der Entwicklung des Euro und der Weltwirtschaft ab.
Quellen und Literatur
- A. Jöhr, Die Schweiz. Notenbanken 1826-1913, 1915
- H.A. Engeli, Die SNB, 1944
- R. Zimmermann, Volksbank oder Aktienbank?, 1987
- A. Föllmi, Die SNB, 1994
- B. Jeitziner, Political Economy of the Swiss National Bank, 1999
- Veröff. UEK 16
- Die SNB, 1907-2007, 2007