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Wettbewerb

Wettbewerb bezeichnet als wirtschaftswissenschaftliches Konzept die Rivalität zwischen Wirtschaftseinheiten am Markt. Die Marktwirtschaft legt den Wettbewerb dem ökonomischen Fortschritt zugrunde; seine Gestaltung bildet den Kern wirtschaftspolitischer Auseinandersetzung, wobei dem Staat eine zentrale Rolle zukommt (Wirtschaftspolitik).

Zur Sicherung des Wettbewerbs haben alle Staaten nach und nach Instanzen geschaffen, die zugunsten schwacher Marktteilnehmer eingreifen können. Garantierte die Verfassung von 1874 mit der Handels- und Gewerbefreiheit mindestens implizit den freien Wettbewerb, so entwickelte sich die Verfassungswirklichkeit zunächst zugunsten der Freiheit der Unternehmen, beinhaltete sie doch das Recht, den Wettbewerb durch gemeinsame Absprachen (Kartelle) auszuschalten; den Verbänden kam dabei eine Schlüsselrolle zu. Nach heftigen Auseinandersetzungen gelang es 1887 gegen die Interessen der Industrie, den Erfindungsschutz in der Bundesverfassung (BV) zu verankern; sogenannte Patentgesetze sollen die kosten- und zeitaufwendigen Erfindungen neuer Produkte und Verfahren vor dem Wettbewerb schützen. Gegen die Gefahr überhöhter Preise aufgrund von Monopolen wurde 1927 die Preisbildungskommission gegründet, die allerdings über keinerlei Sanktionsmacht verfügte und auf die freiwillige Zusammenarbeit mit jenen, die sie zu kontrollieren hatte, angewiesen war.

Insbesondere unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise herrschte in der Zwischenkriegszeit die Auffassung vor, dass der Wettbewerb zugunsten von planenden Strukturen eingeschränkt werden müsse (Korporativismus). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde weltweit kooperatives Verhalten unter dem Eindruck des Monetarismus allmählich zugunsten des Wettbewerbs zurückgedrängt; der in der Schweiz besonders langsame Prozess brachte dem Land den Titel eines Kartellweltmeisters ein. Die Wirtschaftsartikel von 1947 statuierten kein Verbot der Kartelle, sondern in Artikel 31bis BV lediglich Massnahmen gegen deren «volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen». Die Kartellgesetze von 1962 und 1985 waren jeweils etwas stärker wettbewerbsorientiert ausgerichtet, schlossen aber im Gegensatz zu Regelungen in anderen Staaten Absprachen nicht grundsätzlich aus. Gegen den Willen von Bundesrat und Parlament wurde 1982 eine von Konsumentenschutzkreisen lancierte Volksinitiative zur Verhinderung missbräuchlicher Preise vom Souverän angenommen. Das darauf ausgearbeitete Preisüberwachungsgesetz von 1985 versuchte, die Wettbewerbspolitik zu verschärfen, der Arbeits- und der Kreditmarkt blieben allerdings ausgeklammert (Preisüberwachung). 1986 nahm der Preisüberwacher seine Arbeit auf.

Das unter dem Eindruck des EWR-Neins (1992) entstandene Kartellgesetz von 1995 brachte einen Paradigmawechsel: Es verbot grundsätzlich alle Preis-, Mengen- und Marktaufteilungsabreden (unter Vorbehalt von Rechtfertigungsgründen) und sah eine Fusionskontrolle vor. Damit machte sich der Gesetzgeber eine vorher umstrittene, den Schutz auch des Wettbewerbs einbeziehende Auslegung der Handels- und Gewerbefreiheit zu eigen. Die Anwendung des Kartellgesetzes obliegt der Wettbewerbskommission, die mittels Empfehlungen und Stellungnahmen bereits im politischen Prozess der Festlegung der gesetzlicher Spielregeln wettbewerbspolitischer Anliegen vertreten soll. Die BV von 1999 verfolgte dieselbe Richtung: Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind laut Artikel 94 BV nur zulässig, wenn sie in der Verfassung vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind. Beispiele dafür sind Anfang des 21. Jahrhunderts die Agrarpolitik, die Konjunkturpolitik in gewissen Bereichen sowie die Aussenwirtschaftspolitik. Artikel 96 BV befasst sich mit der Wettbewerbspolitik; dem Bund obliegen darin der Schutz des Wettbewerbs sowie das Ergreifen von Massnahmen unter anderem gegen den unlauteren Wettbewerb. Letzterer war ursprünglich Gegenstand des Obligationenrechts sowie des Strafgesetzbuchs. Nach einem misslungenen Entwurf Anfang der 1930er Jahre folgte 1943 ein vergleichsweise fortschrittliches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Das 1986 totalrevidierte UWG will den «lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten» gewährleisten; es erweiterte den Katalog der Tatbestände, dehnte die Klagemöglichkeiten zum Beispiel von Konsumentenorganisationen aus und brachte prozedurale Erleichterungen.

Die Schweiz hat als kleines exportorientiertes Land seit jeher eine wettbewerbsorientierte Offenmarktpolitik vertreten (Freihandel). Im traditionell stärker kartellierten Binnenmarkt wurden unter ausländischem Druck (z.B. WTO, bilaterale Verträge mit der EU) in den 1990er Jahren interne Wirtschaftsbarrieren abgebaut, unter anderem mit dem 1996 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Binnenmarkt. Im World Competitiveness Yearbook des Lausanner International Institute for Management Development rangiert die Schweiz seit vielen Jahren unter den zehn wettbewerbsstärksten Ländern.

Quellen und Literatur

  • S. Schmidheiny, Die Schweiz im Wettbewerb der Nationen, 1989
  • S. Borner et al., Schweiz AG, 1990
  • B. Schmidhauser, «Wettbewerbspolitik in der Schweiz?», in Dok. zur Wirtschaftskunde 9, 1990
  • S. Borner et al., Internat. Wettbewerbsvorteile, 1991
  • L.P. Feld, Steuerwettbewerb und seine Auswirkungen auf Allokation und Distribution, 1999
Weblinks

Zitiervorschlag

Harm G. Schröter: "Wettbewerb", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013792/2013-10-28/, konsultiert am 28.11.2024.
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