1919 vom ehemaligen Sozialisten und Journalisten Benito Mussolini gegründete politische Bewegung in Italien, die besonders vor dem Zweiten Weltkrieg einen gewissen Einfluss auf die Schweiz ausübte, wie später der deutsche Nationalsozialismus. Die mehr oder weniger vom Faschismus inspirierten rechtsextremen Organisationen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Rechtsradikalismus) werden hier ausgeklammert.
Der italienische Faschismus trat zunächst als eine «Antipartei» in Erscheinung, die den politischen Aktionismus predigte und nach 1920 durch das gewalttätige Vorgehen gegen die im damaligen Italien sehr einflussreichen Arbeiterorganisationen Aufsehen erregte. Er fand Unterstützung in Kreisen der Landwirtschaft und der Industrie und gewann zum Teil die Komplizenschaft staatlicher Organe, die dadurch sein Aufkommen förderten. Die Nationale Faschistische Partei (Partito Nazionale Fascista, PNF) wurde 1921 gegründet. Dank der Unterstützung durch die konservativen politischen Eliten und König Viktor Emanuel III. gelang es den Faschisten im Oktober 1922, nach ihrem «Marsch auf Rom» die Macht zu ergreifen. 1925 nutzte Mussolini die durch die Ermordung des sozialistischen Abgeordneten Giacomo Matteotti ausgelöste Krise, um einen zweiten Staatsstreich durchzuführen und die bestehenden Freiheiten schrittweise aufzuheben. Er errichtete ein eigenständiges Herrschaftssystem mit totalitärem Anspruch, das ganz auf die Figur des Führers (il duce) ausgerichtet und durch die Existenz einer einzigen Massenpartei und einen mächtigen Propagandaapparat gekennzeichnet war. 1929 veröffentlichte Mussolini sein Werk «La dottrina del Fascismo» (deutsche Übersetzung 1934, französische 1935), in dem der Staat zum absoluten Wert erhoben wird.
In der Schweiz breitete sich der Faschismus zunächst in der italienischen Kolonie aus, nachdem im Mai 1921 in Lugano eine erste Zelle (fascio) gegründet worden war. Wenig später äusserte sich Mussolini vor dem italienischen Parlament besorgt über die Gefahr einer Germanisierung des Tessins. Er bezeichnete den Gotthard als «natürliche und sichere Grenze Italiens», was in der Schweiz starke Befürchtungen erregte. Von da an wurde Faschismus gleichbedeutend mit Irredentismus. Die Bildung italienischer «Fasci» ermöglichte es den faschistischen Behörden, die italienischen Einwanderer in der Schweiz organisatorisch zu erfassen und zu überwachen. Dabei konnten sie sich auf die 1923 in Lugano gegründete Wochenzeitschrift «Squilla italica» (Italienische Glocke) stützen. Durch die Erklärungen der römischen Behörden beschwichtigt, verzichtete der Bundesrat darauf, die Organisation der «Fasci» zu verbieten. Einzig das Tragen des schwarzen Hemdes untersagte er 1923. Um die guten Beziehungen mit Italien nicht zu beeinträchtigen, überwachte er seinerseits aufmerksam die Kundgebungen des Antifaschismus, die von der grossen Kolonie italienischer Einwanderer und Flüchtlinge getragen wurden und teilweise auch bei Vertretern der schweizerischen Linken Unterstützung fanden.
In der öffentlichen Meinung der Schweiz, die noch vom Trauma des Generalstreiks von 1918 geprägt war, erweckte der Faschismus Interesse, ja sogar Bewunderung, weil man die Niederlage des Kommunismus in Italien auf ihn zurückführte. Diesen Standpunkt vertrat namentlich die von Georges Rigassi geleitete liberale «Gazette de Lausanne». Die waadtländische Rechte schien von der Persönlichkeit des Duce, der sich als Immigrant einst in der Waadt aufgehalten hatte, besonders fasziniert zu sein. 1937 verlieh die Universität Lausanne mit dem Einverständnis des Staatsrates ihrem ehemaligen Studenten Mussolini die Ehrendoktorwürde für die Schaffung «einer gesellschaftlichen Organisation, die die Wissenschaft der Soziologie bereichert» habe. Noch stärker ausgeprägt war die Bewunderung für das Mussolini-Regime in katholischen Kreisen; sie manifestierte sich insbesondere nach dem Abschluss der Lateranverträge (1929), die den langjährigen Konflikt zwischen dem italienischen Staat und dem Vatikan beendeten. Die in der «Carta del lavoro» von 1927 entwickelte und 1934 im Gesetz zur Errichtung der Korporationen konkretisierte korporativistische Doktrin lieferte den Verfechtern des Korporativismus in der Schweiz, insbesondere in Freiburg und Genf, zusätzliche Argumente.
Unter den mit dem Faschismus sympathisierenden schweizerischen Intellektuellen nahm Gonzague de Reynold eine Sonderstellung ein. Dieser machte aus seiner grossen Bewunderung für das Mussolini-Regime keinen Hehl. Als Freund des italienischen Justizministers Alfredo Rocco war er dem Duce zu wiederholten Malen begegnet. Reynold dachte zunächst nicht daran, die faschistische Lösung auf die Schweiz zu übertragen. 1934 trat er allerdings den Comitati d'azione per l'universalità di Roma (CAUR) bei, die von General Eugenio Coselschi angeführt wurden und unter dem Deckmantel kultureller Tätigkeit eine Art faschistische Internationale darstellen sollten. Ohne Wissen der eidgenössischen Behörden wurden in Montreux 1934 und 1935 Kongresse veranstaltet, an denen die führenden Faschisten Europas zusammentraten.
In der Westschweiz ging die Begeisterung für den Faschismus unter dem Einfluss der Action française von Charles Maurras zurück. Dies gilt besonders für die von Marcel Regamey geleitete Ligue vaudoise, die stark föderalistisch ausgerichtet und deshalb gegenüber dem etatistischen Zentralismus des Mussolini-Regimes skeptisch eingestellt war. Überhaupt stellte der Föderalismus eines der wichtigsten Hindernisse für die Entstehung einer faschistischen Bewegung in der Schweiz dar.
1933, im Jahr der Machtergreifung Hitlers und des «Frontenfrühlings», wurde die Schweizerische Faschistische Bewegung (Fédération fasciste suisse) gegründet. Geleitet wurde diese von Arthur Fonjallaz, einem in Misskredit geratenen, aber von ungebrochenem politischen Ehrgeiz getriebenen waadtländischen Obersten, dem es gelungen war, direkte Kontakte zu Mussolini zu knüpfen. Der Duce empfing ihn mindestens fünfzehn Mal und liess ihm Unterstützungsgelder in der Höhe von über 600'000 Fr. zukommen. Die Spende verfolgte den Zweck, den Vormarsch des Sozialismus in der Schweiz ebenso wie jenen der Frontenbewegung aufzuhalten, die in Rom als Ausdruck des deutschen Nazismus betrachtet wurde. Fonjallaz' Bewegung, die sich darauf beschränkte, die in Italien angewandten Rezepte für die Schweiz zu propagieren, stiess nur auf ein sehr geringes Echo. Im Tessin zählte die vom Ingenieur Nino Rezzonico angeführte Bewegung nur etwas über 500 Mitglieder, und in den Grossratswahlen von 1935 errang sie keinen einzigen Sitz. Das peinliche Scheitern des angeblichen «Marsches auf Bellinzona» im Januar 1934 markierte den Beginn des Niedergangs der faschistischen Bewegung im Tessin.
Die Genfer Union nationale, die von 1935 an von Georges Oltramare allein geleitet wurde, war die schweizerische Bewegung, die sich am engsten an das faschistische Vorbild anlehnte. Sie war hierarchisch-militaristisch aufgebaut und ihre Devise lautete «Eine Lehre, ein Glaube, ein Führer». Im Jahre 1937 zählte sie an die 2000 Mitglieder. Mit den bürgerlichen Parteien im Kampf gegen die Regierung Nicole (1933-1936) verbündet, errang sie in den Wahlen von 1936 zehn Genfer Grossratssitze. Oltramare erhielt vom italienischen Diktator Unterstützung und finanzielle Zuwendungen, weil Mussolini ihn zum Verbündeten in Genf gegen den Völkerbund im Abessinienkrieg und in der Sanktionenaffäre machen wollte. Im Mai 1937 unternahm Oltramare eine spektakuläre Reise nach Rom, wo er mit einer Gruppe von Aktivisten vom Duce empfangen wurde. Nach einem gescheiterten Fusionsversuch zwischen der Union nationale und der Genfer (liberal-)demokratischen Partei verliess Oltramare 1939 die Bewegung, die in der Folge unterging.
Als Italien in den Krieg eintrat, hatten sich alle faschistisch inspirierten Bewegungen in der Schweiz aufgelöst. Es blieben nur noch vereinzelte Aktivisten – vor allem im Tessin – übrig, die der italienische Botschafter in der Schweiz, Attilio Tamaro, jedoch vergeblich neu zu formieren und zu organisieren versuchte.