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MargrithBigler-Eggenberger

14.3.1933 Niederuzwil, 5.9.2022 St. Gallen, reformiert, ab 1953 konfessionslos, von Grabs, nach der Heirat von Köniz. Anwältin, Dozentin, Publizistin und als erste Frau Richterin am Bundesgericht.

Porträt von Margrith Bigler-Eggenberger. Fotografie, Anfang der 1970er Jahre (KEYSTONE, Bild 367025105).
Porträt von Margrith Bigler-Eggenberger. Fotografie, Anfang der 1970er Jahre (KEYSTONE, Bild 367025105).

Margrith Eggenberger, Tochter des St. Galler Regierungs-, National- und Ständerats Mathias Eggenberger und der Wilhelmina geborene Naef, Mitbegründerin der sozialdemokratischen Frauengruppe in Uzwil, wuchs in Niederuzwil auf. Nach dem Besuch der Kantonsschule in St. Gallen (Matura 1953) studierte sie Recht an den Universitäten Genf und Zürich. 1959 promovierte Eggenberger an der Hochschule St. Gallen mit einer kriminologischen Dissertation. Im selben Jahr heiratete sie Kurt Bigler geborenen Bergheimer, Sekundarlehrer und späteren Dozenten am Lehrerseminar Rorschach, Sohn des Josef Bergheimer und der Emilie geborene Bloch. Bergheimer war jüdischer Herkunft, wurde aus Mannheim in ein Konzentrationslager nach Frankreich deportiert, konnte 1942 in die Schweiz fliehen und wurde 1953 von der Primarlehrerin Berta Bigler aus Wabern adoptiert. Das Paar Bigler-Eggenberger hatte keine Kinder.

Margrith Bigler-Eggenberger absolvierte am Amtsgericht Erlach ein Anwaltspraktikum und erwarb 1961 das St. Galler Anwaltspatent. Danach arbeitete sie als Gerichtsschreiberin und Anwältin in Biel und Solothurn. 1966 wurde sie nebenamtliche Richterin am St. Galler Versicherungsgericht (Gerichtswesen). Ab 1967 hielt sie Abendvorlesungen an der Hochschule St. Gallen (HSG) und beteiligte sich an der Enquête über die Heimarbeiterinnen im Kanton (Heimarbeit). Als Vorstandsmitglied der Frauenzentrale gelang ihr im Kanton St. Gallen die Verankerung der Familienplanung und im Vorstand des Bunds Schweizerischer Frauenorganisationen (BSF) vertrat sie diesen ab 1968 in der Schweizerischen AHV- und IV-Kommission. Sie entwickelte sich zu einer Expertin für Sozialversicherungsrecht und die Stellung der Frau, wurde 1974 als erste Dozentin der HSG überhaupt Lehrbeauftragte für dieses Rechtsgebiet und publizierte 1979 das grundlegende Werk Soziale Sicherung der Frau. Ebenso war sie Verwaltungsrätin der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) und Stiftungsrätin von Pro Helvetia. In der juristischen Kommission der Sozialdemokratischen Frauen verfasste sie Vernehmlassungen zu anstehenden Gesetzesrevisionen unter anderem im Familienrecht.

Interview mit Margrith Bigler-Eggenberger in der Sendung Gesichter & Geschichten des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 6. Januar 2021 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF).
Interview mit Margrith Bigler-Eggenberger in der Sendung Gesichter & Geschichten des Fernsehens der deutschen Schweiz vom 6. Januar 2021 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF). […]

Als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei (SP) wurde Margrith Bigler-Eggenberger 1972 zur ersten Ersatzrichterin und 1974 als erste Frau zur Bundesrichterin gewählt; während 20 Jahren amtierte sie in der zweiten Zivilabteilung des Bundesgerichts in Lausanne. Sie war mitbeteiligt am ersten Lohngleichheitsprozess der Schweiz 1977, der durch die staatsrechtliche Beschwerde einer Neuenburger Lehrerin ausgelöst worden war. 1994 demissionierte sie, blieb aber bis Ende 1996 nebenamtliche Bundesrichterin für die zweite Zivilabteilung und den Kassationshof. Bigler-Eggenberger war nach ihrem Rücktritt vermehrt publizistisch tätig und veröffentlichte unter anderem das Standardwerk Justitias Waage – wagemutige Justitia? zu Fragen der faktischen Ungleichheit zwischen Frauen und Männern trotz formaler Gleichstellung in der Rechtsprechung des Bundesgerichts. Als Mitglied des Matronatskomitees unterstützte sie die Entwicklung des Archivs für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz in St. Gallen und engagierte sich im Vorstand der Ostschweizer Asylbeobachtungsstelle. Ihre gesamte Tätigkeit war geprägt von starkem sozialem Engagement und dem Einsatz für Chancengleichheit und Gleichberechtigung. Die HSG und die Universität Freiburg verliehen ihr 1994 bzw. 2003 die Ehrendoktorwürde. Nach dem Tod ihres Mannes 2007 stiftete sie den Dr.-Kurt-Bigler/Bergheimer-Preis für Holocaust Education und Erziehung zu Toleranz.

Quellen und Literatur

  • Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz, St. Gallen, Teilvorlass Margrith Bigler-Eggenberger.
  • Klett, Kathrin; Yersin, Danielle (Hg.): Die Gleichstellung von Frau und Mann als rechtspolitischer Auftrag. Festschrift für Margrith Bigler-Eggenberger, 1993 (mit Schriftenverzeichnis).
  • Angehrn, Evelyne; Revital, Ludewig; Weislehner, Kathleen (Hg.): Zwischen Recht und Gerechtigkeit. Richterinnen im Spiegel der Zeit, 2007.
  • Joris, Elisabeth: «Margrith Bigler-Eggenberger. Erste Bundesrichterin – mit Sensibilität für Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit», in: Schmid, Denise (Hg.): Jeder Frau ihre Stimme. 50 Jahre Schweizer Frauengeschichte 1971-2021, 2020, S. 72-79.
  • Rohner, Isabel: «Justitia ist kein Mann mehr. Ein Nachmittag mit der ersten Bundesrichterin Margrith Bigler-Eggenberger», in: Rohner, Isabel; Schäppi, Irène (Hg.): 50 Jahre Frauenstimmrecht. 25 Frauen über Demokratie, Macht und Gleichberechtigung, 2020, S. 73-83.
Von der Redaktion ergänzt
  • St. Galler Tagblatt, 9.9.2022 (Nachruf).
  • Neue Zürcher Zeitung, 19.9.2022 (Nachruf).
Weblinks
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VIAF
Kurzinformationen
Variante(n)
Margrith Bigler (Ehename)
Margrith Eggenberger (Taufname)
Lebensdaten ∗︎ 14.3.1933 ✝︎ 5.9.2022

Zitiervorschlag

Elisabeth Joris: "Bigler-Eggenberger, Margrith", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 06.12.2022. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/032482/2022-12-06/, konsultiert am 24.11.2024.
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