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Artikel „Zell, Matthäus“ von A. Erichson. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 17–18, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zell,_Matth%C3%A4us&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 05:15 Uhr UTC)
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Zell: Matthäus Z., der eigentliche Begründer der evangelischen Kirche in Straßburg, war geboren am Matthäustag (21. September) 1477 in der oberelsässischen freien Reichsstadt Kaysersberg als Sohn schlichter Rebleute, besuchte der Reihe nach die gelehrten Schulen zu Mainz und zu Erfurt, reiste durch Italien, stand eine Zeitlang im kaiserlichen Heer gegen die Schweizer, widmete sich hierauf wieder den Studien und erwarb 1505 an der Universität von Freiburg im Breisgau den Grad eines Magisters der freien Künste. Noch ganz umstrickt von der mittelalterlichen Scholastik hielt er dort Vorlesungen über den Altmeister derselben, Aristoteles, wandte sich aber auch immer mehr der Theologie zu. Am 31. October 1517 wurde er mit dem Rectorat der Universität auf ein halbes Jahr betraut und folgte kurz nach Erledigung des selben einem Ruf nach Straßburg als bischöflicher Beichtiger und Leutpriester (Pfarrer) an der Münstergemeinde. Durch das Studium der Bibel und durch die Schriften seines berühmten Landsmannes Johann Geyler und diejenigen Luther’s für die neue Geistesströmung gewonnen, begann Z. bereits 1521 durch eine Reihe von Predigten über den Römerbrief reformatorisch zu wirken. Sein hervorragendes Talent als volksthümlicher Redner, seine herzliche Frömmigkeit und unermüdliche Wohlthätigkeit sicherten ihm einen großen und bleibenden Einfluß. Das Volk nannte ihn kurzweg „Meister Matthis“. Er zuerst, nebst seinem Vicar Theobald Nigri (Schwarz), feierte die Messe in deutscher Sprache und spendete das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Ihm galt darum auch der erste Angriff der bischöflichen Behörde. Z. trat der von dieser Seite wider ihn erhobenen Anklage der Ketzerei entgegen mit einer lateinischen Schrift, die er bald auch ins Deutsche übersetzte unter dem Titel: „Christeliche Verantwortung M. Matthes Zell von Keysersberg Pfarrherrs und predigers im Münster zu Straßburg, uber Artickel ihm vom Bischöfflichem Fiscal daselbs entgegen gesetzt, und im rechten ubergeben“ 1523, das geistliche Manifest der Straßburger Reformation und die Begründung derselben auf Grund der Heiligen Schrift. Eifrige Mitarbeiter standen ihm bald zur Seite: Butzer, den er als Flüchtling in sein Haus aufnahm und mit biblischen Vorlesungen beauftragte, Capito, den er aus seinem Schwanken und Zögern für die Sache der Kirchenerneuerung gewann, Hedio, Pollio und Andere. Der Bruch mit der katholischen Vergangenheit wurde vollständig als Z. 1524, in seinem 46. Lebensjahre, mit Katharina Schütz, der Tochter eines Schreinermeisters, in die Ehe trat. Um deswillen [18] citirte ihn der Bischof Wilhelm von Hohenstein mit sechs anderen Geistlichen, die sich ebenfalls inzwischen verheirathet hatten, vor sein Tribunal in Zabern. Sie erschienen nicht, erklärten aber, daß sie bereit wären, sich als Bürger vor ihre rechtmäßige Obrigkeit, den Magistrat, zu stellen. Nachdem sie am 3. April 1524 excommunicirt worden, verfaßte Z. in Aller Namen in lateinischer und deutscher Sprache eine „Appellation“, in welcher sie sich auf ein zukünftiges freies Concilium beriefen. Trotz des nun gegen die Ehepriester ausgesprochenen Bannes, entsetzte der Magistrat keinen seines Amtes. Z. wirkte weiter in vorderster Reihe für die kirchliche Organisation, die Sittenverbesserung und Armenpflege, die Gründung von Schulen und die Errichtung des Studienstiftes von St. Wilhelm zur Heranbildung künftiger Diener der Kirche. Dabei blieb sein Haus die Zufluchtsstätte für alle um ihres Glaubens willen verfolgten Evangelischen. Aus den regelmäßig bei ihm abgehaltenen Zusammenkünften der Stadtgeistlichen wuchs der Kirchenconvent heraus als ständige berathende Behörde der neuen Kirche. Völlig aufgehend in seiner pfarramtlichen Thätigkeit blieb Z. den theologischen Streitigkeiten jener Zeit fast fremd, und wurde er bisweilen in dieselben hineingezogen, so legte er Weitherzigkeit und Versöhnlichkeit an den Tag. So fanden die Sectirer in ihm einen wohlwollenden Anwalt, stets bemüht, die sie treffenden strengen Maßregeln zu mildern, und das Haupt der Wiedertäufer Schwenkfeld genoß im Haus des Münsterpfarrers, wie er sich selber ausdrückt, „Frieden, Lieb und Freundschaft“. In der Abendmahlsfrage bekannte sich Z. unwandelbar zu der Zwingli’schen Anschauung. Er starb, allgemein betrauert, am 9. Januar 1548, als mit dem Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges trübe Zeiten für das evangelische Straßburg heraufzogen. – Außer den bereits angeführten Schriften sind noch zu erwähnen: „Ein Collation auf die einführung M. Anthonii“, 1523 (eine Apologie der Priesterehe); „Frag und Antwort uff die artikel des Christlichen Glaubens“ (ca. 1536); „Gekürzt Fragbüchlein uff die zehen Gebott und uff das Vatter unser“ 1537. (Näheres über Zell’s katechetische Schriften bei Ernst und Adam, „Katechetische Geschichte des Elsasses“, 1897, S. 72 ff.)

Zell’s Ehefrau, eine Diakonissin im apostolischen Sinn des Wortes, war geboren 1497 und starb am 5. September 1562. Sie hinterließ: „Entschuldigung Katharina Schützinn für Matthis Zellen iren Eegemahel“ 1524; „Klagred und Ermahnung Kath. Zellin zum Volk bey dem Grab M. Matheus Zellen“, 1548 (zwei Handschriften der Züricher Bibliothek, die zweite abgedruckt in Horning’s „Beiträge zur Kirchengeschichte des Elsasses, 1887); „Den leydenden christglaubigen Weybern der Gemain zu Kentzingen“ … (1524); „Brief an die ganze Bürgerschaft der Stadt Straßburg“ (1557, gedruckt in den Beiträgen von Füßli, Bd. V, 1753), durch welchen sie das Andenken der ersten Straßburgischen Reformatoren gegen die Angriffe der Vertreter eines jetzt um sich greifenden engherzigen Lutherthums in Schutz genommen hatte.

Litteratur. Außer den allgemeinen die Straßb. Reformation betreffenden Geschichtswerken von Jung (1830), Roehrich (1830) und Baum’s „Capito und Butzer“ (1860): Abraham Löscher, Epicedion et narratio funebris in mortem venerabilis viri D. Mathaei Zeellii (1548), ein Gedicht von 802 Versen, das der Straßburger Magistrat wegen einiger Ausfälle gegen das Interim hatte confisciren lassen; die Biographien Zell’s und seiner Frau (theils verbunden) von Roehrich 1850 und „Mittheilungen“ III 1855; Unselt 1854; Lehr 1861; Walther 1864; Gronemann 1866; Merz „Christliche Frauenbilder“ 1866; Erichson 1878. Siehe auch die Notiz des Letzteren über Katharina Zell in „Monatsschrift für Gottesdienst u. kirchliche Kunst“, 1897, S. 241 f.
A. Erichson.
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