Ortlepp, Ernst
- Lebensdaten
- 1800 – 1864
- Geburtsort
- Droyßig bei Zeitz
- Sterbeort
- Almerich bei Naumburg
- Beruf/Funktion
- Schriftsteller ; Dichter ; Musikkritiker
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 117148970 | OGND | VIAF: 5177903
- Namensvarianten
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- Johannes Paulus (Pseudonym)
- Omikron (Pseudonym)
- Zickzack (Pseudonym)
- Paulus, Johannes (Pseudonym)
- Ortlepp, Ernst
- Johannes Paulus (Pseudonym)
- johannes paulus
- Omikron (Pseudonym)
- omikron
- Zickzack (Pseudonym)
- zickzack
- Paulus, Johannes (Pseudonym)
- paulus, johannes
- E. A. O-p
- O-p, E. A.
- Omikron, Johannes Paulus
- Ortleb, Ernst
- Ortlep, II
- Ortlepp
- Ortlepp, E.
- Ortlepp, Emil
- Ortlepp, Ernst August
- Paulus, J.
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Ortlepp, Ernst (Pseudonym Johannes Paulus, Omikron, Zickzack)
Schriftsteller, * 1.8.1800 Droyßig bei Zeitz, † 14.6.1864 Almerich bei Naumburg. (evangelisch)
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Genealogie
V →Johann Christian Friedrich († 1831), Pastor, seit 1806 Propst in Schkölen (Kr. Eisenberg);
M N. N. († 1831);
4 B, u. a. Moritz Wilhelm, Pfarrer in Bülzig b. Zahna; – ledig. -
Biographie
O. wurde zuerst von seinem Vater unterrichtet, als Sechsjähriger auch am Klavier, später an der Orgel. 1812 erhielt er eine Freistelle in Schulpforta, wo er mit einer Übersetzung von Goethes „Iphigenie“ ins Griechische Aufsehen erregte. Nach dem Abitur 1819 studierte er in Leipzig auf Wunsch des Vaters Theologie und Philosophie, wandte sich aber bald ausschließlich der Musik und der Dichtung zu. 1825 führte ihn eine Reise nach Weimar und an den Rhein. Danach zog er sich nach Schkölen zurück, um sich literarischen Arbeiten zu widmen. 1828 vermittelte Kanzler v. Müller einen Besuch bei Goethe in Dornburg, bei dem O., der sich ausschließlich an poetologischen Fragen interessiert zeigte, wenig Anerkennung fand. Seit etwa 1830 hielt er sich wieder in Leipzig auf, wo er bald mit kosmopolitischen, nicht als Tendenzliteratur zu verstehenden Zeitgedichten Erfolg hatte (Gedicht z. Reformationsfeste, Osterlied f. Europa, Pfingstgedicht f. Europa). O., der bürgerliche Freiheit im Rahmen konstitutioneller Monarchien anstrebte, widmete 1831 dem poln. Freiheitskampf etwa 50 Gedichte, von denen einige außerordentliche Publizität erlangten. Als Vorbilder galten ihm im Schulkanon nicht enthaltene Autoren wie Hölderlin, Jean Paul, Byron, Sterne, Shakespeare und Montaigne. Mit der Hoffnung der liberal Gesinnten auf eine Veränderung der politischen Verhältnisse schwand nach 1833 deren Interesse an der Dichtung O.s. Eine rüde, denunzierende Kritik Heinrich Laubes in der „Zeitung für die elegante Welt“ vom 22.11.1833 an Veröffentlichungen O.s (Landtagslieder f. d. dt. Nation, 1833; Briefe eines Unglücklichen, 1833; Belustigungen u. Reisen eines Toten, 1834, vordatiert), in denen dieser einer Revolution in Deutschland keine Chancen einräumte, zerstörte auch seinen Ruf bei den Jungdeutschen. O., der sich nun mit Gelegenheitsarbeiten durchbrachte, veröffentlichte 1835 einen Monolog „Fieschi, Ein poetisches Nachtstück“, der die verzweifelte innere Situation des korsischen Attentäters zu beleuchten sucht. Der Text geriet in die Hände Metternichs, der ihn für staatsgefährdend erklärte und dafür sorgte, daß O. von der sächs. Regierung „wegen mangelnder Subsistenzmittel“ ausgewiesen wurde. 1836 begab er sich nach Stuttgart. Bis 1843 übersetzte er fast sämtliche Werke Shakespeares und Byrons (mit einer Biographie, Briefen u. Gesprächen) sowie Boccaccio (Decamerone) und Tobias George Smollet (Peregrine Pickle), gab G. W. Rabeners Werke heraus und verschiedene Anthologien, darunter ein „Großes Instrumental- und Vokalkonzert“ (1841) u. a. mit Abhandlungen über Beethoven, dem er 1836 eine selbständige Schrift gewidmet hatte. 1843 veröffentlichte O. „Lieder eines politischen Tagwächters“, mit denen er an seine Leipziger Zeit anzuknüpfen suchte. 1845 konnte er drei Bände seiner „Gesammelten Werke“ herausgeben; in den hier gedruckten Gedichten klingen auch kritische Töne gegenüber dem Christentum an. „Dem deutschen Parlament“ widmete er 1848 den Hymnus „Germania“. Danach verstummte auch der politische Dichter. – O. lebte an wechselnden Orten, verschuldete sich und kehrte, 1853 wegen Mittellosigkeit aus Württemberg ausgewiesen, nach Thüringen zurück, wo er das philologische Staatsexamen ablegte, als Lehrer jedoch keine Anstellung fand. Ohne feste Wohnung lebte er fortan von zufälligen Aufträgen und einer kleinen, in täglichen Raten ausgezahlten Jahrespension vom Prinzen Wilhelm von Preußen, die er meist für Alkohol verbrauchte.
Den Abiturienten →Friedrich Nietzsche, der am 4.7.1864 darüber brieflich berichtet, daß O. tot in einem Graben gefunden worden sei, haben O.s Vorstellungen und sein Schicksal beeindruckt (Bohley): Im Gegensatz zur streng christlichen und altphilologischen Ausrichtung durch Elternhaus und Schule wurden für den jungen Nietzsche die Neigung zur Musik, die Zweifel am Christentum sowie die ihm durch O. vermittelten literarische Vorbilder, vor allem Byron und Hölderlin, wesentlich.
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Literatur
ADB 24;
W. Ilges, E. O., Bll. aus d. Leben u. Dichten e. Verschollenen, 1901;
E. Lotichius, Die Werke E. O.s (1800-1864), in ihrer Stellung zu d. Zeitströmungen, Diss. München 1921 (ungedr., W-Verz., L);
S. Hübschmann, in: Mitteldt. Lb., V, 1930, S. 321-38 (W-Verz., L);
R. Bohley, Der alte O. ist übrigens todt, in: Lit. in d. Demokratie, W. Jens z. 60. Geb.tag, hg. v. W. Barner u. a., 1983, S. 322-31;
Goedeke XI/1, XIII;
Brümmer;
Kosch, Lit.-Lex³;
Killy. -
Autor/in
Friedrich Nemec -
Zitierweise
Nemec, Friedrich, "Ortlepp, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 601 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117148970.html#ndbcontent
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Ortlepp, Ernst
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Biographie
Ortlepp: Ernst O. wurde am 1. August 1800 zu Droyßig bei Zeitz geboren, wo sein Vater Pastor war, der später als Propst nach Schkölen kam und hier verstarb. Von dem Vater vorgebildet, kam der Sohn mit 12 Jahren nach Schulpforta und machte hier so überraschende Fortschritte, daß er es z. B. wagen konnte, Goethe's „Iphigenia“ ins Griechische zu überfetzen. Im J. 1819 verließ er diese Schulanstalt mit den besten Zeugnissen und ging nach Leipzig, um Theologie zu studiren; indessen wandte er sich bald dem Studium der schönen Wissenschaften zu, das er bis 1824 fortsetzte. Dann kehrte er in das Vaterhaus nach Schkölen zurück und beschäftigte sich hier mit litterarischen Studien und poetischen Arbeiten. Seine erste Dichtung, die er veröffentlichte, war ein Drama, zugleich das einzige, das wir von ihm besitzen, „Der Cid. Ein romantisches Trauerspiel, zum Theil nach spanischen Romanzen gedichtet“ (1828). Die Ereignisse des Jahres 1830 führten ihn in das Lager der politischen Dichter, ja O. kann als einer der ersten Dichter bezeichnet werden, welche die Politik in den Kreis der poetischen Betrachtung zogen. Er war 1830 nach Leipzig zurückgegangen und veröffentlichte hier in rascher Folge seine Zeitgedichte „Allgemeines Neujahrsgedicht für die deutsche Nation“ (1831); „Osterlied für Europa“ (1831), „Pfingstlied für Europa“ (1831); „Polenlieder“ (1831); „Polens Sterbelted“ (1831). Sie bekunden ein reiches poetisches Talent, sind zum Theil von echtem Gefühl eingegeben, das der Dichter in beredter und schwunghafter Weise darzustellen weiß, zum Theil aber auch voll schwulstigen Pathos, ja hier und da voller Geschmacklosigkeit. Einmal in dieser Bahn, ließ O. nicht leicht ein historisches Ereigniß vorübergehen, ohne seine Leier ertönen zu lassen. Den Polenliedern folgten „Gustav Adolf. Eine lyrische Phantasie“ (1831); „Der 30. August in Leipzig“ (1831); „Gedicht zum Reformationsfest“ (1831); „Deutschlands Erntefest“ (1832); „Frankreich, Rußland, Deutschland und Polen, oder: Stimmen der Gegenwart“ (1832); „Washington oder: Der große Jubeltag der Freiheit“ (1832); „Goethe's Verklärung (1832); „Todtenkranz für Karl August und Goethe" (1832); „Der Traum" (1832); „Landtagslieder für die deutsche Nation" (1833); „Das Siebengestirn der Kriegshelden. Lebens- und Todtenkränze" (1833), worin er die hervorragendsten Helden der Kriegsgeschichte in schwunghaften Versen besingt; „Die Cholera. Episch-lyrisches Gedicht" (1833); „Lyra der Zeit. Eine Sammlung größerer politischer und zeitgenössischer Gedichte" (1834); „Beethoven. Eine phantastische Charakteristik" (1836); „Gedicht zum Gutenbergfeste" (1840). Alle diese Sachen sind sehr verschieden an Werth, wie auch Ortlepp's gesammelte „Gedichte" (1831) und seine „Belustigungen und Reisen eines Tobten, aus Zickzack's nachgelassenen Schriften" (1834). Wenig Werth haben ferner seine in dieser Zeit entstandenen Romane „Cölestine" (1833) und „Die Geächteten, oder: Valerio und Isidora" (II, 1836). Dagegen zeichnet sich „Orlando und Maria, oder das Buch der Liebe. Romantische Dichtung" (1836) durch gute, mit Glück durchgeführte Erfindung, sowie durch treffliche Schilderung der Leidenschaften aus, und die „Hymne an Gott, und: Das Kreuz oder die Religion. Zwei religiöse Dichtungen“ (1836) entfalteten eine reiche Bilderpracht und wirken zum Theil großartig durch die Gluth der Darstellung, während die „Bilder der Nacht in lyrischem Rahmen“ (1837) Ergüsse einer wilden Phantasie sind, die sich im Grausigen gefällt. Im J. 1836 war O. angeblich „wegen mangelnder Subsistenzmittel“, in der That aber wegen mißfälliger politischer Gesinnungen aus Leipzig ausgewiesen worden. Er wandte sich nach Stuttgart, wo er längere Zeit mit Uebersetzungen (Shakespeare und Byron) und anderen litterarischen Arbeiten beschäftigt war. Hier schloß er sich auch den durch Herwegh's Freiheitslyrik in eine neue Bahn geleiteten demokratisch-politischen Dichtern an und schrieb seine „Lieder eines politischen Tagewächters“ (1843), in denen er freilich zur alltäglichen Phrase herabsank. Im J. 1854 kehrte O. in die Heimath zurück und machte hier den letzten Versuch, die vernachlässigte Theologie wieder aufzunehmen. Der gehoffte Erfolg blieb aus, und so lassen die weiteren Lebensjahre des Dichters nur eine Reihe von Tagen des Jammers, der Entbehrung und der Zerrissenheit blicken. Seine Muse ruhte zwar nicht; doch war sie zur dienenden Magd geworden, die sich selbst nicht entblödete, gereimte Einladungen zu Festlichkeiten für Dorfgastwirthe zu schreiben; sie war durch Noth und Elend zu einer Hochstaplerin herabgesunken, welche den Mitteln für die materiellen Bedürfnisse des Dichters durch Lobgedichte an begüterte Privatpersonen oder Widmungen an fürstliche Personen aufzuhelfen strebte. Während seines wechselnden Aufenthalts in Schkölen, Kamburg und Naumburg entstanden in dieser Zeit „Neue preußische Soldatenlieder“ (1855) und „Klänge aus dem Saalthale“ (1856), von denen nur die letzteren an sein ehemaliges reiches Talent erinnern und manches schöne, tiefgefühlte Lied enthalten, das seiner Sehnsucht nach der Heimath Ausdruck gibt. Dann ging es schnell mit ihm bergab. Unfähig, sich selbst ein geregeltes Fortkommen in der Welt zu ebnen, zerrissen in seinem Innern über ein verfehltes Leben, sank er schließlich zum Lohndichter, ja zum Bettler herab und am 14. Juni 1864 fand man ihn todt im Mühlgraben (Kleine Saale) bei dem Dorfe Almrich: er befand sich auf dem Wege von Naumburg zu seinem unermüdlichen Wohlthäter, Professor Keil in Schulpforta. Ob er den Tod freiwillig gesucht hat, oder ob er verunglückte, ist nicht festgestellt worden.
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Literatur
Jenaische Zeitung vom 21. August 1878. — Prutz, Museum, Jahrg. 1864, S. 379. — Kurz, Geschichte der deutschen Nationallitteratur, Bd. IV, S. 27.
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Autor/in
Brümmer. -
Zitierweise
Brümmer, Franz, "Ortlepp, Ernst" in: Allgemeine Deutsche Biographie 24 (1887), S. 447-448 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117148970.html#adbcontent