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«Die totalitärste Hassrede, die ich je gehört habe»

Herbert Grönemeyer sorgt mit einer politischen Ansage während seines Konzerts in der Wiener Stadthalle für Aufsehen.
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Die Stimme kippte, das Mikro scherbelte, ohrenbetäubender Jubel im Saal. Herbert Grönemeyer gab vor ein paar Tagen ein Konzert in der ausverkauften Wiener Stadthalle und äusserte seine politischen Ansichten: «Wenn Politiker schwächeln, dann liegt es an uns, zu diktieren, wie eine Gesellschaft auszusehen hat.» Wer versuche, so eine Situation der Unsicherheit zu nutzen für rechtes Geschwafel, für Ausgrenzung, Rassismus und Hetze, der sei fehl am Platz: «Keinen Millimeter nach rechts!»

Jemand, der des Deutschen nicht mächtig ist, konnte dabei durchaus auf falsche Gedanken kommen. In ihrem gebellten Ton mutete Grönemeyers Tirade wie eine Hetzrede aus dem Dritten Reich an – und tatsächlich folgte der Nazi-Vergleich prompt. Allerdings waren es keine Engländer oder Polen, die ob Grönemeyers gebrüllter Ansage Unbehagen verspürten, sondern ausgerechnet Politiker der Rechtsaussenpartei AfD. Die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, twitterte: «Das ist die furchterregendste, übelste, totalitärste Hassrede, die ich je gehört habe.» Das sei Ton und Furor «des neuen Terrors von links».

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Auch Aussenminister Heiko Maas hatte sich nach dem Konzert eingeschaltet. Der SPD-Politiker stand dem Musiker bei und stellte den Mitschnitt des Auftritts online. Dazu schrieb er: «Es liegt an uns, für eine freie Gesellschaft einzutreten und die Demokratie gemeinsam zu verteidigen. Danke an Herbert Grönemeyer und allen anderen, die das jeden Tag tun.» Nun wird in Deutschland erst recht darüber debattiert, wie Grönemeyers Ansage einzuschätzen sei. Wie viel Faschistoides steckt darin?

Was die Form angeht: Den Sänger wegen seiner zackigen Art anzugreifen, ist fragwürdig. Immer wenn der 63-Jährige auf der Bühne steht, muss man Angst haben, dass er gleich an einem Herzinfarkt zu Boden geht. Grönemeyer singt nicht, er brüllt. Er tanzt nicht, er verrenkt sich. Das Wut-Crescendo ist sein bevorzugtes Stilmittel, das war schon in den 80er-Jahren so, wo er als «Dröhnemeyer» verulkt wurde.

Herbert Grönemeyer ist, was er schon immer war: ein Gewissensbarde.

Inhaltlich heikel ist die Aussage «zu diktieren, wie eine Gesellschaft auszusehen hat». Ein Satz, der tatsächlich totalitäres Gedankengut portiert, bloss: Grönemeyer ist kein Politiker, sondern ein Popstar. Einzelne Worte, im Bühnenrausch geäussert, auf die Goldwaage zu legen, ist unsinnig. Zumal die Position des Musikers bekannt ist: immer wieder hat er sich in der Vergangenheit gegen Rassismus und Rechtsextremismus geäussert.

Bereits 1993 reagierte er auf seinem Album «Chaos» auf Brandanschläge auf Asylbewerberheime, mit Parolen wie «Hart im Kopf, weich in der Birne». Und auf seinem neuesten Album «Tumult» ist der Ton zwar nachdenklicher, doch die Botschaft dieselbe. Grönemeyer fordert weniger Heimat-Duselei und mehr kulturelle Vielfalt. Den Song «Doppelherz / Iki Gönlüm» singt er auf Türkisch und Deutsch. Und im Sommer verkündete er bei einem Festival in Chemnitz: «Das Land ist unser Land. Wir halten es fest und stabil und lassen es nicht nach rechts ausschwenken.»

Herbert Grönemeyer ist, was er schon immer war: ein Gewissensbarde. Das kann man anstrengend oder peinlich finden. Ihn wegen seines Auftritts mit Hitler oder Goebbels zu vergleichen, ist polemisch – oder gar entlarvend. «Wer den Ton über das Gesagte stellt», meldete sich inzwischen auch der Kabarettist Florian Schroeder zu Wort, «der betreibt gerade das Geschäft der Faschisten.»

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